Der Blog rund um All Blacks Thun...
- Corinne Saurer, Hanna Frei, Hélène Grossenbacher, Manuel Walker, Martina Scheidegger und Sonja Walthert - Corinne Saurer: Nachdem ich seit 2015 jährlich nach Gran Canaria an den Transgrancanaria reise und mehrmals von All Blacks-Mitgliedern darauf angesprochen wurde, bot ich an, im 2023 eine Laufreise zu organisieren. Im Mai 2022 folgte die erste Info im Clublokal. Rund zwei Handvoll Mitglieder interessierten sich für Informationen über diesen Lauf. Einige davon kamen an die erste Information, andere baten um die Informationen via Mail. Im September 2022 trafen wir uns zum zweiten Mal. Alle, welche eine Teilnahme planten, kamen nochmals für einen Austausch zusammen und informierten einander, welche Distanz sie absolvieren wollten und welche Reisedaten sie planten. Es wurde also konkret! Sechs Personen (Corinne, Hanna, Hélène, Manuel, Martina und Sonja) buchten für drei verschiedene Distanzen je einen Startplatz am Transgrancanaria 2023. Manuel Walker registrierte sich für den Hauptlauf, den Classic (128 km, 7000 HM), Hanna Frei, Hélène Grossenbacher, Martina Scheidegger (die Partnerin von Manuel) und ich für den Marathon (45 km, 1900 HM), und Sonja Walthert für den Promo (12 km, 725HM). Nachdem die Startplätze gebucht waren, folgten die Reservationen der Unterkünfte und Flüge. Nun waren wir sechs Unternehmungsfreudigen schon fast startklar. Natürlich hing alles noch vom Training ab. Im November 2022 traf im Chat die Nachricht ein, dass Hélène im Januar 2023 den Meniskus operieren müsse und somit den Marathon nicht laufen könne. Zum Glück entschied sich Hélène, trotzdem auf die Reise mitzugehen. Ende Dezember 2022 musste ich mir dann eingestehen, dass ich im Februar 2023 nicht für einen Marathon bereit sein werde. So entschieden Hélène und ich, unsere Laufdistanz auf die kürzeste Distanz umzumelden. Statt der 45 km wollten wir doch wenigstens die 12 km marschieren. Eine Woche vor der Abreise erlitt Manuel eine Verletzung, worauf ihm der Arzt dringend abriet, einen so langen und anspruchsvollen Lauf zu absolvieren. Somit änderte auch Manuel seinen Plan und wurde vom Läufer zum Begleiter. Und los geht’s! Am 17. Februar 2023 nahm Sonja Walthert als Erste die Reise auf die Kanaren in Angriff. Am 21. Februar folgten ihr Hanna, Hélène und ich auf Gran Canaria. Der erste Schritt führte uns am Tag nach der Ankunft zur Startnummernausgabe. Anschliessend teilten wir unsere Vorfreude an einem gemeinsamen Nachmittag am Meer mit Imbiss und Baden. Am Abend hiess es bereits vorbereiten und packen. Denn am Morgen vom Donnerstag war in Artenara der Start für die kürzeste Distanz des Anlasses (12 km, 725 HM), nach Tejeda geplant. Sonja Walthert: Als der Car in Maspalomas startete, war ich schon etwas nervös, da ich noch nie im Leben einen solchen Lauf im Ausland erlebt hatte. Die Fahrt war sehr kurvenreich und je näher wir ins Zentrum von Gran Canaria nach Artenara kamen, je regnerischer wurde es! Beim Start froren Corinne, Hélène und ich schon etwas! Kaum waren wir gestartet, merkte ich, dass ich wohl auch besser die Walkingstöcke mitgenommen hätte! Fast der ganze Lauf schlängelte sich durch enge Bergwege, die durch den Regen total «pfludig» wurden und mir so sehr gefährlich vorkamen. Ich musste sehr aufpassen, landete trotzdem einmal auf dem Hintern und walkte wirklich fast während des ganzen Laufs. Die Landschaft war sehr vielfältig z. B. Mandelbäume in der Blüte und Zitronen- und Mandarinenbäume mit reifen Früchten, herzige Dörfer mit ihren weissen Häuschen, einmal musste man aufpassen, dass man nicht die Hühner auf einem Hof überrennt! Um das alles geniessen zu können und ohne zu viele blaue Flecken (wegen Sturzgefahr) ans Ziel zu kommen, war mir die Zeit ziemlich egal! Nach 12 km war ich schon etwas froh, in Tejeda angekommen zu sein! Die angebotenen Orangenhälften und Bananen schmeckten herrlich, da sie auch von Tejeda stammten! Kleine grüne Bananen von Gran Canaria sind eine Spezialität! Was ich noch erwähnen will: Corinne hat Andie, einen Kollegen aus Lörrach getroffen, und dessen Jacke durfte ich zweimal anziehen, worum ich sehr dankbar war. Da wir in Maspalomas schöne Temperaturen für kurzärmlig und ohne Socken hatten, unterschätzte ich die Kälte in den Bergen! Ich hatte noch die Gelegenheit, in einem Restaurant 2 kg Orangen von Tejeda zu kaufen für 2.6 €, und um halb 5 Uhr fuhr dann der Car wieder ca. 1,5 Std. die kurvenreiche Strecke retour. Hélène Grossenbacher: Anfänglich wollte ich mit Hanna die 45 km bewältigen, aber meistens kommt es anders als man plant. Nach einem guten Sommer mit schönen Läufen habe ich mich am Meniskus verletzt. Dieser musste 6 Wochen vor dem Lauf operiert werden, aber ich konnte trotzdem mit Corinne den 12 km Lauf machen. An diesem Tag war es trüb, kalt und windig. Etwa wie in der Schweiz… Der Weg war rutschig und schlammig. Zum Glück hatten wir Stöcke dabei… Wir haben uns Zeit genommen, haben die schönen blühenden Mandelbäume und die durch den Regen grüne Vegetation bewundert. Es war ein schönes Erlebnis. Danke Corinne! Zur selben Zeit, während wir drei (Hélène, Sonja und Corinne) am Donnerstag noch auf unserem Lauf waren, trafen Manuel und seine Lebenspartnerin Martina auf der Insel ein. Gemeinsam genossen wir als Gruppe ein feines Abendessen am Meer. Für die einen galt es, Energie zurückzuführen und für die anderen war es das Pasta-Essen am Vorabend des Laufes. Denn am Folgetag stand der Marathon auf dem Programm. Für diese Distanz galt es für Hanni und Martina ernst. Nach dem Essen machten sie sich auf den Heimweg zum Ausruhen, Packen und mentalen Vorbereiten, während Hélène und ich den Abend noch bei einem Drink am Meer ausklingen liessen. Hanna Frei: TransGranCanaria 24. Februar 2023 / + 1900 Höhenmeter / - 2900 Höhenmeter Mein grosses Ziel, die 45 km zu finishen. Ich liege gemütlich am Pool, die Sonne scheint mir ins Gesicht, herrlich! Zeit, den Lauf Revue passieren zu lassen. Steine-Steine-Steine. In allen Grössen, Formen und Farben. Das sind in den nächsten Stunden meine steten Begleiter. Um 9.30 Uhr ist der Start in Tejeda geplant. Es regnet ein bisschen. Den Regenbogen auf der gegenüberliegenden Seite nehme ich als gutes Omen. Irgendwann laufen die Ersten los, habe den Startschuss wohl verpasst. Nach ca. 1 km gibt's einen Stau, Zeit die Regenjacke auszuziehen (brauche sie auch nicht wieder). Kurze Zeit später kommt der erste happige Aufstieg. Zum Teil ist es glitschig zwischen den Steinen, jeder Schritt muss wohl überlegt sein. Dann kommt der Roque Nublo in Sicht, wunderschön anzuschauen, aber der Aufstieg ist schmal und steinig. Oh... Überraschung !!! Wer steht da mitten auf dem Weg, mit der Kamera in der Hand, meine Laufkollegin Hélène und ein Stück weiter noch zwei weitere Fans, Corinne und Manuel. Sie unterstützen mich auch bei der zweiten Verpflegungsstelle. Ein riesiger Aufsteller. Danke euch dreien. Über viele Steine bergauf und bergab geht's weiter. Habe schnell gemerkt, dass ich auf der anspruchsvollen Strecke nicht meine geplante Zeit laufen kann. Macht nichts, dann kommt halt Plan B zur Anwendung, der da wäre: Gesund im Ziel ankommen. Die wunderschöne Landschaft kann ich nur zeitweise geniessen, muss ich doch immer auf den unebenen Boden achten. Steine-Steine-Steine. Nach der 3. und letzten Verpflegung geht's nochmals den Berg hoch und dann hinunter in ein langes ausgetrocknetes Bachbett. Es wird immer dunkler hier unten, ich kann nicht mehr viel sehen. Zum Glück haben in der Gruppe, in der ich seit ein paar Kilometern mitlaufe, zwei Schlaue ein Licht dabei. Ich hänge mich hinten an und habe so ein wenig Licht. Oh, plötzlich kommt ein Licht von vorne. Ein Helfer hat die Not erkannt, einen Sack mit Taschenlampen organisiert, und ist den langsameren Läufern entgegengelaufen. Mit einem Licht in der Hand geht's wieder viel besser. Bald schon ist das Bachbett zu Ende, und wir kommen auf einen schmalen Pfad. In der Ferne sind die Lichter vom Maspalomas zu sehen, das Ziel nicht mehr weit. Nochmals etwas Tempo zulegen und schon ist der blaue Teppich da. Endlich, mein Ziel ist erreicht! Werde von meinen Laufkolleginnen überschwänglich in Empfang genommen. Mit der Medaille um den Hals sind die Strapazen schnell vergessen. Das war aber ein richtiges Abenteuer. Ein grosses Dankeschön an alle die mich unterstützt haben. Martina Scheidegger: Der TransGranCanaria 2023 Erlebnis pur Wie so oft bin ich mit an Bord, mein Freund Walker Manuel hat mich wieder «mitgeschleppt» J. Eines Abends eröffnete er mir seinen Plan, auf Gran Canaria einen Ultra zu laufen. Zuerst traute ich meinen Ohren nicht. Dann habe ich mich entschieden, wenn ich schon soweit fliege, dann werde ich auch an einem Lauf teilnehmen. Also entschied ich mich für die Marathon-Disziplin. Für mich persönlich die längste je gelaufene Distanz. Das Abenteuer kann also beginnen. Für unseren Start am Freitag wurden wir zuerst mit dem Car 1,5 Std nach Tejeda gefahren. Das war schon das erste Erlebnis. Schon mal wie die Chauffeure diese Busse durch die engen Kurven schlängelten. Bis zum Startschuss hat es noch geregnet, zum Glück ist meine Angst vor rutschigen Trails ausgeblieben, die Steine und Wege waren, trotz der Nässe, ziemlich griffig. Das erste Highlight und wahrscheinlich der bekannteste Teil des Marathons, der Roque Nublo, war leider im Nebel. Dafür sorgten Manuel, Hélène und Corinne bei Kilometer 10 für die erste Überraschung und feuerten mich lautstark an. Der nächste Aufstieg stand bevor, und oben hat uns die Sonne begrüsst. Es war sehr überwältigend, die Insel zeigte sich mehr und mehr von ihrer schönsten Seite. Bei Ayagaures, Kilometer 30, kam vom vielen Runterrennen die erste Müdigkeitskrise in den Augen und im Kopf. Die Trails waren teils sehr technisch, und man musste sich gut konzentrieren. Die letzten ca. 10 km führten durch das berühmt berüchtigte Flussbett. Ab und zu konnte man rennen, aber oft musste ich gehen, das Risiko noch einen Misstritt einzufangen wollte ich nicht eingehen. Die Beine waren mittlerweile auf «Autopilot». Einfach rennen und ins Ziel kommen, denn meine Wunschzeit könnte aufgehen. Und so hat es dann auch gereicht, unter 7 Stunden ins Ziel zu kommen. 6.58 Std. – ein wahnsinniges Erlebnis, das mich doch mit viel Stolz erfüllt, alles ist so gut gelaufen! Es war sehr emotional mit vielen Hochs und Tiefs in der Vorbereitung, und ich doch bis eine Woche vor dem Start nicht wusste, ob es mein rechtes Bein mitmachen würde, oder ob ich allenfalls nur gehen könnte. Es hat super Spass gemacht und war eine grossartige Erfahrung! Und, ich durfte wieder neue, coole Leute kennenlernen. Manuel Walker: Manchmal kommt alles anders… Nun stehe ich da in Jeans und Pullover im Regen. Zusammen mit Corinne und Hélène warten wir auf Martina und Hanna beim Parkplatz des Roque Nublo. Die beiden laufen die 45 km-Strecke mit 1900 positiven und 2900 negativen Höhenmetern. Auch wenn ich nicht selber laufen kann, freue ich mich trotzdem, dabei sein zu können. Die Stimmung ist grossartig, die Landschaft umwerfend und abwechslungsreich. Wir haben ein Auto gemietet und versuchen die beiden Läuferinnen so gut wie möglich zu unterstützen. Nach ein paar Worten und Fotos ziehen sie weiter, und wir fahren zum nächsten Verpflegungsposten. Dort verpassen wir zwar Martina, können aber Hanna nochmals kräftig anfeuern. Bereits 20 km haben die beiden geschafft. Nun geht es für uns schon in den Zielbereich, wo der Speaker mit jedem Zieleinlauf die Stimmung anheizt. So dauert es nicht mehr lange, bis Martina glücklich das Ziel erreicht. Später, als es eindunkelt, werden beim letzten Kontrollposten noch Lampen verteilt. Mit Lampe ausgerüstet erreicht auch Hanna das Ziel – eine tolle Leistung! 3 Wochen früher: Ich bin auf der letzten Runde, die Beine werden langsam etwas müde, aber der Kopf zieht weiter. Schliesslich gibt es ein Ziel zu erreichen. Die Uhr piepst und die 60 erscheint auf dem Display. Jetzt nur noch den Gurten hinunter, und dann habe ich es geschafft. 4 x dieselbe Runde von Köniz über den Gurten auf den Ulmizerberg und wieder über den Gurten zurück nach Köniz. Mein Haupttraining für den Transgrancanaria Classic über 128 km und rund 7000 Höhenmeter sollen es werden. Der Gedanke daran motiviert mich, gibt mir ein Ziel, eine Mission. So sind es am Ende 70 km und rund 3200 Höhenmeter geworden. Eine super Vorbereitung. Bis Gran Canaria habe ich jetzt noch fast 3 Wochen Zeit, mich zu erholen. Das Training ist somit erfolgreich abgeschlossen. Leider wird bereits 2 Tage später von einem Ziehen in der Wade angekündigt, dass wohl doch alles anders kommen wird. Eindrücke von Gran Canaria und dem Transgrancanaria Ich habe Gran Canaria als eine landschaftlich sehr abwechslungsreiche und interessante Insel kennengelernt. Die Vulkaninsel ist unglaublich facettenreich. Bereits innert nur zwei Stunden Autofahrt erlebt man komplett unterschiedliche Landschaften. Von der Küste mit Sandstrand und Dünen über trockene und karge Steinwüsten. Weiter ins Landesinnere passiert man plötzlich riesige Gebiete mit blühenden Kakteen, Mandelbäumen und Palmen. Die Schluchten und Berge mit den rötlichen Färbungen erinnern an den Grand Canyon. Fichtenwälder wechseln sich mit markanten Steingebilden ab. Nicht selten kommt man in den Genuss tierischer Artenvielfalt. Grosse Eidechsen, Papageien oder der Kanarengirlitz, um nur einige zu nennen. Mitten durch diese Schönheiten der Insel verlaufen die Trails des Transgrancanaria. Der Lauf ist sehr gut organisiert. An Transport der Läufer, Verpflegungsposten mit reichhaltigem Buffet, Streckenmarkierungen und den eingespielten Helferteams ist gut ersichtlich, dass es sich um einen erfahrenen Organisator handeln muss. Die Webseite und Mails vom Veranstalter lassen praktisch keine offenen Fragen. So kann ich nur schwärmen von dieser Insel und kann den Lauf wärmstens weiterempfehlen. Auch ich werde zu einem späteren Zeitpunkt wieder nach Gran Canaria zurückkehren – aber dieses Mal als Läufer. Aber auch so habe ich den Urlaub sehr genossen, und wir hatten eine tolle Zeit mit einem super Team. Die Gewissheit Leider erst nach dem Urlaub konnte ich noch ein MRI vom Bein machen. Nachdem wir zuerst annahmen, die Achillessehne sei beschädigt, hat sich nun herausgestellt, dass es sich um eine Zerrung des Wadenmuskels mit einem kleinen Muskelriss handelt. So hatte ich mit der Verletzung doch noch ein wenig Glück, wo Muskeln doch viel schneller heilen als Sehnen. Klar war ich traurig, nicht in Gran Canaria starten zu können, aber jetzt auch glücklich darüber, wieder weitertrainieren zu können. --- Für Sonja galt es am Samstag, bereits wieder abzureisen. Wir anderen fünf trafen uns am Sonntagabend zum Austauschen und Zusammensein am Meer zu einem feinen Abendessen. Der Montag diente der weiteren Erholung, und am Dienstagmorgen genossen wir noch einen Spaziergang am Strand bei Sonnenaufgang mit einem «Schwumm» in den grossen Wellen des Atlantiks. Am Dienstag war dann auch für Manuel und Martina die Ferienzeit zu Ende und wir drei Übriggebliebenen liessen unsere Reise am Mittwochabend bei einem letzten Drink am Meer ausklingen. Bei einer schönen Unterhaltungsshow mit Musikern und Künstlern erinnerten wir uns noch einmal an unsere Erlebnisse der vergangenen Woche. Rückblickend war für mich eines der grössten Highlights das schöne Teamwork und der Zusammenhalt, den wir als Gruppe während der gemeinsamen Zeit erleben durften. Egal ob jemand etwas vergessen hatte, verletzt, desorientiert oder müde war. Wir sechs waren immer für einander da und ergänzten uns prima. Als Organisatorin war ich natürlich besonders dankbar, dass alle aus unserer Gruppe gestarteten Athletinnen gesund und glücklich «gefinisht» hatten. Dass der Lauf noch immer an Bekanntheit gewinnt zeigt, dass auch immer wieder viele Schweizer teilnehmen. So stand dieses Jahr wieder die bekannte Solothurner Trailläuferin Kathrin Götz am Start. Auch Robin Lörtscher vom 100 Marathon Club Schweiz und Athleten vom STB waren am Transgrancanaria dabei, so z.B. Rea Iseli, die den Lauf der Kategorie Starter (24 km, 1800 HM) als Siegerin beendete.
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An der diesjährigen Jubiläumsausgabe des Eiger Ultra Trails standen 14 All Blacks Thun-LäuferInnen am Start. Die langen Distanzen können nicht ohne seriöse Vorbereitung gemeistert werden, weshalb sich die Startenden schon früh für eine Teilnahme entscheiden und die Trainings und Wettkämpfe vorher sorgfältig auswählen, um gut gerüstet zu sein. Eine All Blacks Thun-Läuferin, die bei der Vorbereitung sicher keine Kompromisse eingeht. ist die Verantwortliche für die Inserate in unserem Vereinsbulletin, Rosmarie F. Aemmer. Sie nahm das erste Mal am Eiger Ultra Trail teil. Die Novizin mit 70 Die älteste Teilnehmerin am E 51-Panorama Trail, Rosmarie F. Aemmer Was hat dich motiviert, dich einer so langen und anstrengenden Belastung auszusetzen? Rosmarie: Da hat Teresa Roth sicher einen grossen Anteil. Schon seit zwei Jahren habe ich des öftern mit ihr in der Bergwelt im Berner Oberland trainiert. Immer wieder schwärmte sie vom Eiger Ultra Trail. Das steckte mich an, und ich begann, mich selber für eine Teilnahme zu interessieren. Es gibt so läuferische Meilensteine in meinem Leben wie: - Mit 50 den ersten Marathon in Berlin - Mit 60 den ersten Jungfrau-Marathon - Wieso nicht mit 70 eine weitere Marke setzen, nochmals etwas Verrücktes machen? Der E 51 bietet sich an, mit Jahrgang 52 diesen 51 km Lauf mit 3 100 Höhenmetern zu bewältigen, das wäre doch etwas ganz Spezielles! Natürlich wollte ich mich so gut wie möglich auf den Lauf vorbereiten. Schon seit anfangs 2022 streute ich vermehrt Bergläufe in meine Laufstrecken ein. Im Juni nahm ich an einer Trail-Running-Woche im Engadin teil. Des weiteren organisiert der Eiger Ultra Trail 3 Wochen vor dem Lauf ein Discovery-Weekend, an welchem man in geführten Gruppen die Strecken kennen lernen kann. Auch da war ich dabei. Am ersten Tag ging’s von Grindelwald auf das Faulhorn. Wegen Gewittern mussten wir allerdings eine direktere Route wählen als jene am Lauf selber. Auf dem Faulhorn übernachteten wir, 5 Frauen und 5 Männer. Am anderen Tag besichtigten wir den zweiten Teil der Strecke. Ich hatte den Ablauf allerdings ein bisschen missverstanden, war ich doch der Meinung, dass man an diesen Tagen nur wandert. Das war dann aber nicht so, und ich war die einzige mit einem normalen Rucksack und in Wanderausrüstung, während die anderen im Lauftenue und mit leichten Trail-Rücksäckli bereit standen, aber das ging auch so. Und zahlte sich all die Vorbereitung aus? Rosmarie: Ja sicher, ohne kommt man nicht durch. Ich stand am Start mit dem Anspruch, den Trail innerhalb der vorgegeben Maximal-Zeit von 13 Stunden fertig zu laufen. Im ersten Aufstieg mit ca. 1‘000 Höhenmetern auf die Grosse Scheidegg war ich planmässig unterwegs, nach gut 2 Stunden konnte ich Richtung First abbiegen. Es folgt eine Strecke, auf der ich viel joggen konnte. Dann kommt der Teil aufs Faulhorn, den wir bei der Besichtigung abkürzen mussten, ich kannte also die Strecke dort nicht genau. Es war bereits mega heiss, die Sonne scheint voll in den Hang, und es läuft mir nicht mehr so nach Plan. Normalerweise ertrage ich die Hitze gut, was ist denn los. Ich merke, ich komme in Rückstand in meinem Zeitplan und prompt, vor dem letzten Anstieg aufs Faulhorn, werde ich gewarnt, ich sei zeitlich knapp drin, laufe Gefahr, oben auf dem Faulhorn aus dem Rennen genommen zu werden. Das kann doch nicht sein, das wäre ja jammerschade, all diese Vorbereitungen… Nein, aufgeben, das ist keine Option! Einmal oben erklärte ich den Streckenposten, dass ich gewarnt wurde, wisse, dass ich knapp dran bin, sei aber schon 70 Jahre alt, sei gut vorbereitet, sie könnten mich nicht einfach rausnehmen, ich wisse genau was noch vor mir sei – und sie liessen mich laufen!. Oben wurde ich von meiner türkischen Freundin Ezgi Akdesir, selber eine erfahrene Eiger Ultra Trail-Läuferin, ausgezeichnet betreut. Sie rannte zuerst von Grindelwald auf die First, um mich dort zu verpflegen, dann lief sie weiter auf das Faulhorn, wo sie allerdings lange, lange auf mich warten musste. Frisch verpflegt und wieder ausgerüstet mit Lab und Trank entlässt sie mich auf den Weg Richtung Schynige Platte. Jeder Läufer muss auf der E51 Strecke eine kleine Ausrüstung mittragen, das wird am Abend zuvor auch kontrolliert. Regenhosen und Regenjacke, Handschuhe, Sicherheitsdecke und Verbandsmaterial gehören dazu. Allerdings hätte ich bei diesem heissen und stabilen Wetter am Wettkampftag nicht unbedingt in die Rucksäcke schauen wollen, was wirklich alles dabei war. Nach dem Faulhorn, dem höchsten Punkt, komme ich dann wieder besser vorwärts. Auf der Schynigen Platte erwartet mich mein Mann Theo. Schon geht es weiter auf Schwand, wo ich auch wieder auf ihn treffe. Ich bin zeitlich immer noch knapp dran. Versuche erfolgreich, immer wieder bei den Zuschauern ein bisschen Unterstützung zu erheischen. Ich habe die Zuversicht, den Trail zu meistern. «Runterseckle» kann ich nämlich gut, ich habe dazu das nötige Vertrauen. Das zahlte sich aus, unten in Burglauenen hatte ich wieder 20 Minuten Vorsprung auf die erlaubte Durchgangszeit. Nochmals stand Theo an der Strecke. Auf dem letzten Stück zurück nach Grindelwald konnte ich dann gar noch Leute überholen, ja ich konnte sogar die Berge in der Abendsonne geniessen. Ich kam ins Ziel und bin fast gehüpft vor Freude, hätte im Moment gerade noch weiter gehen können. Theo und meine Betreuerin von First und Faulhorn begrüssten mich, VereinskollegIinnen von All Blacks Thun waren da, das Leiterehepaar der Trail-Running-Woche im Engadin; ja, ja, die Glückshormone sind schon geflossen. Zum Bearbeiten hier klicken. Ich bin stolz, und es ist alles andere als selbstverständlich, dass ich, 7 Jahre nach einer Herzoperation und 4 Jahre nach einer Rückenoperation, den E 51 in 12.30 Std. bewältigen konnte! Du hast aber nicht schon wieder neue Pläne? Nein, nein, das war jetzt einmalig und soll es bleiben. Das ganze braucht schon sehr viel Zeit. Theo meinte: «Jetzt will ich endlich wieder einmal ganz normal mit dir wandern gehen!» Ein Dauerläufer Der E 101 – Ultra Trail über 101 km und mit 6‘700 m Höhenmeter – das ist etwas für Manuel Walker Er, Manuel Walker, scheint nun wirklich nie genug zu bekommen. Ich kann mit ihm während der Woche, als der Berner Berglauf Cup ausgetragen wurde, telefonieren. Während 5 Tagen wird dabei jeden Abend ein Berglauf angeboten, mit Laufzeiten für die Besten um die 20 Minuten, da darf er natürlich nicht fehlen. Diese Läufe sind von seinem Wohnort Belp aus schnell zu erreichen. Es läuft ihm gut: «Ich bin bis jetzt an jedem Abend schneller unterwegs gewesen als bei der letzten Austragung vor 2 Jahren!». So nebenbei erfahre ich, dass Manuel eine Woche nach dem Eiger Ultra den Stockhorn Halbmarathon gemacht hat, und dann am Samstag vor der Berglauf Cup-Woche den Glacier 3000 Run. Jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich mich nicht verzettle, es ist der E 101, über welchen ich ja etwas erfahren will. Kann man den E 101 denn so nebenbei machen? Manuel: Nein, nein, das ist unmöglich, das war mein Saisonziel für das erste Halbjahr, darauf habe ich mein Training seit mehreren Monaten ausgerichtet. Es war auch das erste Mal, dass ich mich für eine so lange Distanz entschieden habe. Den E 51 habe ich schon mal gemacht, aber das ist länger her. Nachdem ich 2021 verletzungsbedingt ausgefallen war, begann ich erst im letzten Winter wieder richtig mit dem Grundlagentraining. Da bin ich den All Blacks Thun beigetreten. Ich machte auch regelmässig Hügeltrainings und viele ausgedehnte Longjoggs. Für einen Marathon kannst du ein Aufbautraining von 8 – 12 Wochen machen, das genügt aber für eine Belastung von 17 Stunden nicht mehr. Auf dem Berglaufchat sah ich, dass du für den 24. Juni einen Laufpartner suchtest, der mit dir das halbe oder gar das ganze Double «Niesen – Stockhorn» läuft. Manuel: Ja, aber ich musste das dann alleine machen. Das Wetter war nicht stabil, es kamen in den Bergen Gewitter auf. Ich startete in Wimmis, stieg auf den Niesen, dann zurück auf Oey-Diemtigen, weiter aufs Stockhorn und wieder zurück auf Wimmis. Das war ein zielgerichtetes Training für den E 101. Ich hatte dann doch noch Glück mit dem Wetter, auf dem Niesen oben war ich gerade, bevor dort ein Gewitter niederging, auf dem Stockhorn gewitterte es kurz, bevor ich oben ankam. Dieses Training entsprach ungefähr der Hälfte der Strecke am E 101 und etwas mehr als der Hälfte der Höhenmeter. Ich wollte mal ein Training in den Beinen haben, das mindestens der halben Belastung entspricht, welcher mich dann am Eiger Ultra ausgesetzt bin. Dann stehst du am Start vom E 101 und denkst nur noch an diese unendliche Strecke vor dir? Manuel: Nein, das ist schon nicht das gleiche wie bei einem 10 km-Lauf. Hier gehst du relativ gemütlich ans Werk. Du hast nur die erste Etappe im Kopf, die Grosse Scheidegg. Dort schaue ich dann weiter. Du teilst die ganze Strecke in kleine Abschnitte ein und schaust nie aufs Ganze. Du nimmst eine Etappe um die andere unter die Füsse. Der E 101 ist grob gesagt der E 51 und der E 35 zusammengehängt, da und dort noch mit einigen Zusatzschlaufen. Nimmst du dir vor, bei diesem und jenem Verpflegungsposten auch mal abzusitzen, um dich ein bisschen zu erholen? Manuel: Es gibt Läufer, die machen das, zum Beispiel in Burglauenen. Dort ist etwa die Streckenhälfte. Es gibt gar Wettkämpfer, die Teigwaren zu sich nehmen, bevor es dann wieder ansteigt Richtung Wengen und Männlichen. Auch ich plante, dort etwas zu essen. Mein Vater war dort. Aber ich entschied, nein ich muss weiter, ich will ins Ziel kommen und nicht noch Zeit verlieren. Bei allen Verpflegungsposten handhabte ich das so: ich wechselte ein paar Worte mit den Leuten, füllte all meine Flaschen auf, trank etwas und ging weiter. Manchmal war es nötig, die Schuhe wieder nachzubinden, aber sonst habe ich nie eine Pause gemacht. Hattest du Supporter auf der Strecke platziert, um dich zu unterstützen? Nur gerade mein Vater in Burglauenen und dann wieder im Ziel. Ansonsten habe ich einfach die offizielle Verpflegung benutzt. Am Anfang nimmt man schon etwas mit bis zum ersten Verpflegungsposten, danach kann man einfach immer wieder auffüllen. Es war aber dermassen heiss, dass ich fast nichts essen konnte. Die Anstrengung ist auch für den Magen eine grosse Belastung, ich ernährte mich fast nur mit isotonischen Getränken, manchmal noch mit Banane und Riegel oder was an den Posten zu haben war. Schönes Wetter ist ja gut, aber diesmal war die Hitze wohl gar intensiv. Ja, viele Teilnehmer mussten aufgeben wegen Dehydrierung, ich sah einige, die erbrechen mussten. Ich nahm über diese 101 km 12 – 15 l Flüssigkeit zu mir und auch viele Salztabletten. Die Ernährung ist eine Erfahrungssache. So viele Kalorien, wie man verbraucht, kann man fast nicht zu sich nehmen. Wäre der Lauf noch weiter gegangen, hätte ich mich anders verpflegen müssen, so habe ich es gerade noch über die Distanz geschafft. Was hat dir am meisten weh gemacht, hattest du mit Schmerzen zu kämpfen? Es ist eigentlich noch gegangen, während des Laufs spürte ich nie gross Schmerzen. Die Anstrengung, die Müdigkeit, das ist, was es zu überwinden gilt. Läufst du mit Stöcken? Ja, ich laufe mit Stöcken. Wenn’s bergab geht, versorge ich sie aber. Bergab habe ich vorher sehr stark trainiert. Da konnte ich immer schön durchziehen, da habe ich viel Zeit gutgemacht. Gibt es Vorschriften bezüglich der Stöcke? Die Regelung ist: Wenn du Stöcke mitnimmst, musst du diese bis ins Ziel mitnehmen. Wenn du keine mitnimmst, darfst du auch keine entgegennehmen. Entweder du hast während des ganzen Laufs Stöcke dabei oder eben nicht. Man muss auch eine Pflichtausrüstung dabei haben (ausser am E 16). Wir am E 101 haben auch Stirnlampen als Pflicht dabei. Wann ist der Start? Um 4 Uhr am Samstagmorgen, um 20.55 Uhr kam ich ins Ziel. Es war gerade noch hell, ab 21.30 Uhr wäre dann «Stirnlampe auf» wieder obligatorisch. Auf deinem Facebook Post konnte man lesen: «Etwas mehr als zwei Wochen sind inzwischen vergangen, die Muskeln erholt, die Blessuren verheilt, die vielen Gedanken, Bilder, Eindrücke und Gefühle verarbeitet». Was waren das für Blessuren? Manuel: Ich bin unter dem Eiger mal auf den Steinen ausgerutscht. Das gab blaue Flecken an Arm und Schienbein, eigentlich nichts Schlimmes. Blasen hat es auch gegeben und Schürfungen vom Brustgurt. Das nahm ich unterwegs aber nicht wahr, es kam erst am Schluss zum Vorschein. Ich spürte im ganzen Lauf keine körperlichen Einschränkungen. Einfach die Ernährung hat nicht so gepasst. Nur flüssig, das hat mir irgendwann auf die Verdauung geschlagen. Gegen Schluss musste ich WC’s aufsuchen, darum sage ich, es wäre wahrscheinlich für einen noch längeren Lauf mit meiner Ernährung nicht aufgegangen, aber für diese Distanz hat es gerade noch gereicht. Du hattest nie den Gedanken aufzugeben? Manuel: Nein, gar nie, das kam mir gar nicht in den Kopf, da war etwas anderes gespeichert, das zieht dich weiter. Gerne zitiere ich noch den Rest deines Facebook Posts: Manuel: «Obwohl ich mit meiner Laufzeit von 16.55 Std. für die 101 km und 6‘700 Höhenmeter über eine Stunde schneller war als geplant und ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden bin, kann ich heute weder Stolz, noch das Gefühl empfinden, etwas Grosses geschafft zu haben. Vielmehr bleibt einfach die Erinnerung an ein grosses Abenteuer, an einen wunderbaren Tag voller Anstrengungen und Glücksgefühlen. Der Lauf selber lief eigentlich unspektakulär und ohne grössere Probleme. So hatte ich zwar bei jedem Anstieg geflucht und mich über alle Abstiege gefreut. Ernähren ging bei Hitze und Anstrengung leider fast nur flüssig (12 – 15 l Flüssigkeit!), dafür traten muskulär keinerlei Probleme auf. Selbst mental war der Lauf weniger hart als meine Tour über Niesen und Stockhorn, wo ich 8 Stunden alleine und teils im Regen unterwegs war. Eiger Ultratrail, ich vermisse dich und werde gerne in einem anderen Jahr wieder zurückkehren ❤ Vielen Dank meinen Eltern für den Support und @running_girl_13 für den herzlichen Empfang im Ziel.» Anfangs erwähntest du, dass du 2021 verletzungsbedingt ausgefallen bist. Was war das? Manuel: Ich hatte ein Schienbeinkanten-Syndrom. Das ist eine Knochenhaut Entzündung, eine langwierige Sache. Ich hatte das schon früher mal, da brauchte ich 6 Monate, um es weg zu haben, weil ich nicht komplett aufhörte zu laufen. Diesmal wollte ich es besser machen, verzichtete für 3 Monate rigoros aufs Laufen und machte nur Alternativsport. So brachte ich das Leiden in der halben Zeit weg. Das Schwierige mit Alternativsport ist für mich, die Motivation hoch zu halten, es gibt nichts, das mir so viel Spass macht wie das Laufen. Jetzt habe ich jeden Monat einen fixen Physiotermin. Dank dem bin ich dieses Jahr frei von Verletzungen geblieben. Immer wenn etwas Neues auftaucht, melde ich es, wir schauen, was es sein könnte und was wir dagegen tun können. So habe ich es bis jetzt im Griff gehabt. Man muss eine gewisse Härte gegen sich selber haben, aber auch einordnen können, ist das jetzt etwas Ernstes oder kann ich weitermachen. Du hast anfangs vom Saisonziel für das erste Halbjahr gesprochen. Was kommt denn noch? Manuel: Als Vorbereitung auf das zweite Saisonziel konzentriere ich mich jetzt auf den Switzerland Marathon Light vom 4. September 2022 in Sarnen. Dort möchte ich «mein Tempo einstellen» für den Marathon Cannes – Nizza am 30. Oktober 2022. Ich wünsche dir ein schönes Erlebnis an der Côte d’Azur. Vielleicht kriege ich ja ein Bild davon für das nächste Heft? «Die Einheimische» Teresa Roth kennt den Eiger Ultra Trail von Anfang an, weiss, was alles geboten wird und erklärt mir 2 weitere Startmöglichkeiten. Der Trail Surprise Etwas für Einsteiger und insbesondere für die Angehörigen und Mitgereisten der Eigertrail-Athleten. Er findet am Freitag vor dem Veranstaltungswochenende statt. Unter dem Motto «Jedes Jahr eine neue Überraschung» wird jeweils eine Trail-Länge zwischen 10 und 15 km und ein Höhenprofil zwischen 500 und 1000 m ausgesucht. Jedes Jahr etwas Neues. Drei Tage vor dem Startschuss werden die Anzahl Kilometer und Höhenmeter, der Standort des Verpflegungspostens und das Höhenprofil bekannt gegeben, die eigentliche Strecke aber nicht. «Den habe ich auch schon gemacht, das ist noch witzig. Man hat lange Zeit, 4 Stunden stehen einem zur Verfügung», erfahre ich von Teresa. Der E 35 - Nordwand Trial Dieses Jahr ist Teresa aber erstmals am E 35 gestartet. Das sind 35 km mit 2‘500 Höhenmetern. Man startet in Burglauenen, dann geht es hoch nach Wengen, weiter aufwärts durch die Lawinenverbauungen auf den Männlichen, rüber auf die Kleine Scheidegg, runter zum Start der Moräne oberhalb des Wixi Lifts, die Moräne rauf auf den Eigergletscher, es folgt der Abstieg dem Eiger entlang nach Alpiglen, zum Marmorbruch und ins Dorf Grindelwald. Teresa: Es war sehr heiss, der anstrengendste Teil für mich war definitiv die Moräne. Ich war um ca. 13 Uhr dort, die Sonne brannte voll auf diesen Südhang. Du meinst, das kenn ich, da bin ich schon x-mal gelaufen, auch beim Jungfrau Marathon, aber diesmal war es einfach ganz anders. Dann endlich kam ich auf dem Eigergletscher an, freute mich auf den Verpflegungsposten – und da gibt’s nichts, es ist gar kein Posten da – leer schlucken und weitergehen, bergab allerdings.
Ich bin nach 7.42 Std. ins Ziel gelaufen und konnte danach das Gefühl, das alle LäuferInnen nach so einer Anstrengung so suchen, doch noch richtig auskosten. Beim E 35 macht man in kurzer Zeit sehr viele Höhenmeter, diese sind beim E 51 auf eine längere Strecke verteilt. Das hat mir besser gefallen, der E 35 war schon ein sehr happiger Lauf! Die Geschichte eines Marathons ist nicht nur jene des Laufs über die 42,195 km, es ist eigentlich für jeden Teilnehmer eine Angelegenheit, die 3 - 5 Monate dauert. Erst gilt es, sich für einen Anlass zu entscheiden, was passt in meine Agenda, hat darin überhaupt ein Trainingsplan Platz? Auch wenn es «nur» ums Durchkommen geht, braucht es viele Wochen Vorbereitung, erst recht, wenn man seine persönlichen Grenzen ausloten will. Da ist es die Regel und nicht die Ausnahme, dass selten alles so genau nach Plan läuft. Alle, die schon einen Marathon gemacht haben, können ein Lied davon singen. Ein unerwartetes Ereignis im familiären Umfeld kommt dazwischen, bei der Arbeit läuft es nicht rund, da kommt eine kleine Verletzung oder eine Krankheit oder es fehlt einem mit der Zeit der nötige Drive, um die vielen Kilometer abzuspulen, und schon wird die Vorbereitung über den Haufen geworfen. So hat jede Läuferin und jeder Läufer nach getaner Arbeit seine eigene Geschichte im Rucksack. Mit Hardy habe ich über den Züri-Marathon 2022 gesprochen. Zuvor bestritt er sicher schon ein Dutzend Marathons, die Hälfte am Berg und die Hälfte auf dem «Flachen». Der erste kam fernab der Schweiz zustande. Nach der Schreinerlehre studierte ich Holzingenieur in Biel. Für das Praktikum bewarb ich mich bei einer in den USA tätigen Consulting Firma, von der man wusste, dass sie immer wieder Studenten engagieren für Praktika. Das hat geklappt, und es wurde mir ein Platz irgendwo in der Pampa der USA zugeteilt. Im letzten Moment gab es noch eine Änderung; ich «musste» nach Long Beach und zwar «mitten in den Kuchen». Long Beach hat ca. ½ Million Einwohner und gehört zur «Greater Los Angeles Area». Ich ging schon immer regelmässig joggen aber nicht etwa ambitioniert oder mit dem Ziel, Wettkämpfe zu bestreiten. So in der Ferne hat man dann halt manchmal verrückte Ideen, da kam der Long Beach Marathon 2007 gerade recht. Ich musste mich ja vor niemandem rechtfertigen. Mein Ziel, den Lauf in 4 Stunden zu absolvieren, habe ich erreicht! Es bleibt mir eine wunderbare Erinnerung an meinen ersten Marathon entlang den Stränden von Long Beach. 2013 kam ich dann zu All Blacks Thun und 2015 nahm ich meinen zweiten Flachmarathon in Zürich unter die Füsse. Wir waren zu Dritt von «All Blacks», Feli Liechti-Odermatt, Erich von Allmen und ich. Mittlerweilen konnte ich mich gut einschätzen, so glaubte ich zumindest, und peilte eine Zeit von 3 Stunden an. Aber es sollte anders kommen; zu schnell gestartet, zu verbissen unterwegs, zu schlecht verpflegt, das war es dann, bei Kilometer 40 musste ich völlig dehydriert aufgeben, ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Übrigens musste auch Erich aufgeben, dafür realisierte Feli eine sehr gute Zeit. Ich sagte mir, das kann’s nicht sein, da gehe ich nochmal hin, da habe ich noch eine Rechnung offen. In den nächsten Jahren konnte ich die 3 Stunden Marke an zwei Flachmarathons knapp unterbieten, einmal in Luzern und einmal 2019 in Edinburgh. Für 2022 nahm ich mir nochmals den Züri-Marathon vor, eine Zeit von 2.50 Std. war mein Ziel. Ich hatte anhand der Trainings das Gefühl, dass dies drin liegen müsste. Mein Hauptziel dieses Jahr ist der Inferno Triathlon, da passt ein längerer Wettkampf im Frühling gut rein, so kommst du auf die notwendigen Kilometer und bist motiviert zu trainieren. Dem war dann auch so, ich hatte eine Super-Vorbereitung, die Form stimmte absolut… bis 3 Wochen vor dem Marathon. Ein «Buckel» am Hals, den ich schon vorher spürte und weswegen ich auch beim Arzt in Behandlung war, wuchs plötzlich stark an. Ich bekam Temperatur, fühlte mich nicht gut und hatte keine Energie mehr. Der Arzt überwies mich sofort ins Spital, wo entschieden wurde, einen Eingriff zu machen. Da man nicht wusste, was genau zum Vorschein kommt, musste dieser Eingriff unter Vollnarkose gemacht werden. Der Knoten wurde herausgenommen, glücklicherweise war es «nur» ein Abszess. Natürlich durfte ich nachher nicht sofort wieder trainieren. Dann, eine Woche vor dem Marathon, konnte ich die Fäden entfernen. Ich wurde entlassen mit der Aussage, dass ich jetzt wieder alles machen könne.
Aber eben, ich war seit über 2 Wochen keinen Schritt mehr gelaufen. Ich sah das gleiche Schicksal kommen wie 2021 am Inferno Triathlon. Auch da war ich topp vorbereitet, freute mich enorm auf den grossen Event, und zwei Tage vor dem Wettkampf erlitt ich eine Schulterverletzung. Ich musste damals schweren Herzens Forfait geben, ein grosser Formaufbau für die Katze... «Jetzt musst du auch diese Übung wieder abbrechen, jetzt ist es halt wieder gelaufen», mit diesen Gedanken schlug ich mich herum. Nach dem ersten Footing wagte ich mich trotzdem auf einen Longjogg über 20 km. Und klar, es ging nicht so gut, die Beine waren leer und der Puls war hoch. Aber eigentlich war es schon in meinem Kopf, du machst den Lauf, sowieso, einfach nur zur Freude, das Hotel ist ja schon gebucht, jetzt gönnst du dir einfach ein schönes Wochenende. Mit dieser Vorgeschichte stand ich am Sonntagmorgen, 10. April 2022 um 8:15 Uhr am Start. Ein kühler Morgen, in der Nacht hatte es weit heruntergeschneit, es war noch nass, aber der Himmel begann sich aufzuklären, gute Laufbedingungen. Den ursprünglichen Plan mit dem 4er Schnitt hatte ich längst aufgegeben. Ich nahm mir vor, die erste Hälfte mit einem 4.30 er Pace zu laufen. Das sollte machbar sein, dann schauen wie es sich anfühlt, einfach weiter joggen und ins Ziel kommen oder, wenn es dann gut geht und im besten Fall, auf der zweiten Hälfte noch zulegen. Ich startete schneller als ich wollte, versuchte immer wieder, mich zu bremsen, und doch hatte ich immer diese 3 Std.-Pacemaker um mich herum. Drosseln, drosseln, drosseln, nur nicht zu schnell, diese Pacer darfst du einfach nicht überholen; gar nicht einfach, wenn du dich so gut fühlst. Nach der 10 km Runde in der Stadt geht’s dem See entlang Richtung Meilen. Bei der Halbmarathonmarke in Herrliberg war es dann so weit, die Hälfte war geschafft. Der Kilometerschnitt lag bei 4:12 und ich fühlte mich gut. An jeder Verpflegungsstation habe ich getrunken und etwas zu mir genommen. «Kannst du es dir erlauben, jetzt einfach zuzusetzen?». Die Frage trieb mich nicht lange um, ich tat es einfach. Es ist ja fast flach und doch hat es in den Dörfern immer wieder ganz leichte Anstiege, die in die Beine gehen, wenn du am Limit läufst. Aber ich konnte ständig Läufer überholen, das ist mental mega cool. Würde es mir auch so ergehen, wenn ich schneller gestartet wäre? Ohne meine Vorgeschichte wäre ich nämlich diesen Marathon sicher deutlich schneller angegangen. Es bildete sich dann ein 2er und später ein 3er Grüppli, wir harmonierten gut und spannten über eine grosse Distanz zusammen. Erst auf den letzten Kilometern ging jeder einfach noch seinen maximal möglichen Pace. Seit der ersten Erfahrung 2013 habe ich immer einen Reserve-Gel als Notration dabei, für den Fall, dass ich Energie tanken müsste… es war aber nicht nötig. Ich überquerte die Ziellinie in einer Verfassung, wie ich es mir zuvor nicht erträumt hätte. Es gelang mir sogar, die zweite Marathonhälfte 10 Sekunden pro Kilometer schneller zu laufen als die erste. Es schaute für Hardy eine Zeit von 2:54:02 heraus, Rang 25 in seiner Kategorie. Den Reservegel hat Hardy also nicht gebraucht, den Late-Checkout des Hotelzimmers aber schon. Duschen, sich noch ein bisschen hinlegen, dieses Spezialangebot das den Läufern geboten wurde, galt es noch zu geniessen. Die Geschichte eines weiteren Marathons war geschrieben. War das doch noch die angestrebte Versöhnung mit dem Züri-Marathon? Hardy & Roland Riedener Bulletin Schwarz auf Weiss: schwarz auf weiss- Informationsbulletin - All Blacks Thun In der BZ vom 12.5.2011 erschien ein Beitrag über die damals anstehende 30. GP-Teilnahme von Samuel Hadorn. Auf die Frage des Reportes, wie er es schaffe, sich diesen Termin immer wieder frei zu halten meinte er: «Ich hatte Glück, musste zur GP Zeit nie Militärdienst leisten oder war zu dieser Zeit auch nie krank oder verletzt. Das einzige, was ich vorkehrte, war meinen Kollegen zu sagen, sie sollen doch bitte nicht am GP-Wochenende heiraten!» Das war vor 10 Jahren. Jetzt ist Samuel vor seiner 40. Teilnahme über die vollen 10 Meilen. Das heisst, er hat keine einzige Austragung verpasst, unglaublich! Ein Blick zurück von Samuel Hadorn - Text und Bilder von Samuel Hadorn - …wie alles begann Meine Eltern waren beide begeisterte Bergsteiger und mein Vater zudem noch JO-Leiter in einem SAC-Club. Um mit den Jungen mithalten zu können und für grosse Hochgebirgstouren gerüstet zu sein, begannen meine Eltern mit «Seckle». Von Jogging, Running, Walking, Nordic Walking usw. war noch keine Rede. Die Trainingsstrecke führte von Allmendingen durch den Schorenwald zum Vita Parcours. Danach eine bis zwei Runden mit oder ohne Übungen und dann wieder zurück nach Allmendingen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber etwa als Fünfjähriger war es endlich soweit, dass ich, natürlich mit Spazier-Unterbrüchen, mitrennen durfte. Gerannt wurde mit Trainerhosen, Trainerjacke und einer Art Kinder-Converse mit Null-Dämpfung. In der dritten Klasse kam es equipement-mässig zu einem Quantensprung. Der Addidas «Rom» (wird heute als trendiger Sneaker getragen) gab es endlich auch in Kindergrösse. Mittlerweile war ich dem Nordischen Skiklub Thun beigetreten. Das Sommertraining bestand zu einem grossen Teil aus Laufen. Immer im Sommer fehlten mir ein bisschen die Wettkämpfe; in dieser Zeit gab es fast noch keine Volksläufe. 1. GP Bern (22. Mai 1982) Eines Tages kam mein Vater mit der Ausschreibung vom ersten Grand Prix von Bern nach Hause. Ein paar Wochen später fiel der Startschuss beim alten Wankdorfstadion. Bis zur Dalmazibrücke entsprach die Strecke in etwa der heutigen. Die für mich immer ein bisschen mühsame Runde im Dalmaziquartier gab es noch nicht. Danach ging es via Dalmaziquai, Dählhölzli in die Elfenau bis nach Muri. Beim Melchenbühl liefen wir durch die Fussgängerunterführung und via Wittigkofen bis ins Ziel auf dem Rasen des Leichtathletikstadions. Die Startnummern waren noch aus stoffähnlichem Material, Adolf Ogi war OK-Präsident und Markus Ryffel lief als Sieger über eine halbe Stunde vor mir und allen andern 2861 TeilnehmerInnen, als Erster über die Ziellinie. Mutter auf der Überholspur Ich weiss nicht mehr genau, welcher GP es war. Auf alle Fälle startete meine Mutter im Block hinter mir. Das heisst eineinhalb Minuten später. Es lief mir ziemlich gut, als beim Rosengarten, kurz vor dem Einbiegen in die Bolligenstrasse, in meinem rechten Augenwinkel meine Mutter vorbeizog. «Chasch eigentlech nid grüesse» rief ich zu ihr hinüber. Sie wartete dann im Ziel auf mich. Von da an war die Familienhierarchie klar geregelt. Nach ein paar Stunden beim «Sportpsychologen» war die Freude am Laufen wieder da, und ich bin nach wie vor stolz auf die Leistungen meiner Mutter. 10. Grand Prix (11. Mai 1991) Mittlerweile 24-jährig hat sich einiges verändert. Mini-Grand-Prix 6.8 km und Bären-Grand-Prix 3.4 km ergänzen seit einem Jahr das Angebot. Adolf Ogi ist Bundesrat, meine Mutter wird in der Kategorie W50 zweite und eine gewisse Ursula Jeitziner (Spielmann) gewinnt bei den Frauen W18 in einer Zeit von 1.00.08.2 Std. Die Strecke ähnelt der heutigen in fast allen Bereichen, ausser, dass oben am Aargauerstalden nicht nach rechts abgebogen wurde, sondern nach links, um nach fast einem Kilometer wieder oben am Aargauerstalden zu sein. Für mich völlig unnötig, obschon ich vier Jahre vorher auf dieser Strecke meine Grand-Prix Bestzeit lief. Als Spezialpreis gab es das legendäre Grand-Prix T-Shirt mit goldener Schrift, die leider nach dem ersten Waschen nur noch in einem verblichenen Orange leuchtete. (Anmerkung Redaktion: 2 Jahre später siegte die Mutter von Samuel, Maria Hadorn am New York Marathon in der Altersklasse 50 – 59 Jahre mit einer Zeit von 3.07.22 Std.!) 20. Grand Prix (12. Mai 2001) Meinem Wunsch, den Jubiläumslauf mit meinem Vater zu bestreiten, wird vom OK mit Freude entsprochen. Ich geniesse den Lauf, habe Zeit und Kraft, den vielen Fans zurückzuwinken oder etwas zuzurufen. Natürlich gibt es wieder eine Zusatzschlaufe nach der Monbijoubrücke (man könnte ja einfach geradeaus «seckle»), die mich bis heute mental herausfordert. Meine Mutter empfängt uns, wahrscheinlich schon frisch geduscht, im Ziel. Übrigens gewinnt in der Kategorie M 40 Markus Gerber (Gerber Sport, Gümligen) in einer Super-Zeit von 52.39.5 Min. Nach dem Lauf werden wir vom Grand-Prix OK zu einem feinen Znacht eingeladen. 30. Grand Prix (14. Mai 2011) Weil das Einlaufen nicht wirklich meine Lieblingsbeschäftigung ist, beschliesse ich, zum Aufwärmen mit meinem Vater den Altstadt-Grand-Prix zu laufen. Das Wetter ist regnerisch und es zieht durch die Gassen von Bern. Was mich ganz besonders freut, ist, dass meine Frau Monika und unser Sohn Nik ebenfalls am Start sind. Schon nach kurzer Zeit entschwinden sie im Läufergewimmel. Ziemlich durchfroren komme ich im Ziel mit meinem Vater an und beschliesse, eine warme Dusche zu nehmen. Mit trockenen Kleidern fällt der Startschuss zum Hauptlauf. Das Einlaufen hat sich gelohnt. Es sollte meine letzte Zeit unter 1.20.00 Std. werden. Das OK lässt sich nicht lumpen und hat uns am Vorabend zu einem Nachtessen mit Adolf Ogi, Viktor Röthlin und Heinz Schild (Gründer des Grand-Prix) eingeladen. … bis heute In den letzten Jahren machen mir meine Beine vermehrt Probleme. Eine Faszienspaltungs-OP vor 2 Jahren brachte nicht den gewünschten Erfolg. Nichtsdestotrotz halte ich mich mit Velofahren, Rollerbladen und Schwimmen einigermassen fit. Das Lauftraining hat sich auf den Grand-Prix beschränkt. Wegen Corona fand der Grand-Prix letztes Jahr erstmals im Herbst statt. Kleine Startfelder und natürlich wenig Zuschauer prägten das Bild. Mein Motto «Laufen bis der Hammer kommt» funktioniert bis zur Monbijoubrücke relativ gut. Doch leider sind es dann immer noch ca. 6 km bis ins Ziel. Die restlichen Kilometer bewältige ich eher als Stadtwanderer denn als Läufer. Auch die Videoaufzeichnungen zeigen ein düsteres Bild. Trotzdem beende ich glücklich und zufrieden meinen 39. Grand-Prix von Bern, und als Aufsteller übergibt mir Heinz Schild die Medaille. Mit einem kurzen Schwatz lassen wir die letzten Jahre Revue passieren. Mein Fazit nach 627.627 Grand-Prix-Kilometern ist durchwegs positiv. Viele schöne Begegnungen, treue Fans, coole Musik auf der Strecke (ich habe letztes Jahr sogar den Dudelsack-Spieler auf der Monbijoubrücke vermisst), eine abwechslungsreiche Strecke durch eine der schönsten Städte und eine jeweils perfekte Organisation. Wir wünschen Samuel bei seiner 40. Teilnahme am 14. Mai 2022 einen schönen, beschwerdefreien Lauf. Auf die Zeit kommt es wahrlich nicht mehr an, die Atmosphäre und die Musik am Strassenrand geniessen, das hast du dir hochverdient!
Um Spekulationen zum Namen zuvorzukommen, hier noch die Erklärung dazu: Laurence Gehrig, die Schwimmerin französischer Muttersprache, hatte zuvor noch nie einen Schwimmwettkampf bestritten. Ein paar Wochen vorher schrieb sie im Gruppenchat: «Wer von euch hat mir einen Latex-Anzug zum Schwimmen?» Diese heitere Episode wollten die Frauen im Teamnamen verewigt wissen (man merke, die meisten LäuferInnen sind halt im Schwimmen nicht so versiert). In der Kategorie «Team Trophy» der Frauen bestreitet jede der vier Wettkämpferinnen je eine Teilstrecke. Eine ganz eigene Herausforderung meistert dabei die Betreuerin Feli Liechti-Odermatt. Ihr Erlebnis schildert sie in den Zeilen zwischen den Beiträgen der vier Frauen, Laurence Gehrig, Skadi Töpken, Yvonne Kohli und Catherine Lohri. Feli Liechti-Odermatt So, jetzt kommt da also auch meine Geschichte, jene der Betreuerin, die es eigentlich nicht sein sollte! Leider musste das Team wegen meiner Fussverletzung Ende Juni einen Ersatz für die Berglaufstrecke suchen. Zum Glück ging das nicht allzu lange, und sie konnten mit Catherine Lohri eine erfahrene Inferno-Athletin gewinnen. Somit kann ich mehr oder weniger beruhigt in die Rolle der Betreuerin schlüpfen. Da ich noch nie eine solche Erfahrung gemacht habe, bin ich sehr gespannt, was auf mich zukommt. Ich kann die Nacht vor dem Rennen gar nicht gut schlafen, habe Angst zu spät zu kommen. Ich bin definitiv nervöser, als wenn ich selbst starten würde. Meine erste Station ist bei Yvonne in Steffisburg. Ich bin zum Glück pünktlich um 5.30 Uhr bei ihr, um sie und ihr Bike mitzunehmen. Nächster Treffpunkt ist das Startgelände in der Badi Thun. Skadi und Laurence erwarten uns schon. Die Atmosphäre früh morgens unter den Athleten geht mir sehr unter die Haut. Es ist eine super Stimmung und alle freuen sich auf das gemeinsame grosse Erlebnis. Kurz vor dem Startschuss gehe ich mit Yvonne zum Schiff, das wir rennend nach einer Suchaktion endlich finden. Es bringt uns nach Oberhofen, damit wir dort unsere grandiose Schwimmerin Laurence empfangen können. Laurence Gehrig Mit viel Respekt mache ich mich frühmorgens bereit für das erste Teilstück, die Schwimmstrecke über den Thunersee. Es ist noch dunkel im Strandbad, eine unglaublich ruhige Stimmung. Beim Start ändert sich das dann schlagartig. Mit vielen Wellen und Leuten um mich herum und mit der Angst, es vielleicht nicht ins Ziel zu schaffen, starte ich auf die 3.1 km lange Strecke. Zu Beginn muss ich ziemlich kämpfen und kann erst nach einer gefühlten Ewigkeit endlich meinen Rhythmus finden. Glücklich über die erbrachte Leistung steige ich dann nach 1.20 Std. in Oberhofen aus dem Wasser und übergebe an Skadi für die Velorennstrecke. Es soll noch ein langer Tag mit einem super Team werden. Feli Liechti-Odermatt Mit einem GROSSEN Lachen steigt Laurence aus dem Wasser, ich werde das nie mehr vergessen! Skadi steht schon bereit für die Übergabe und tritt kräftig in die Pedale des Rennvelos, auf geht‘s Richtung Grindelwald, aber auf indirektem Weg. Zusammen mit Laurence und Yvonne geht es auf sportlicher «Spritztour» mit einem Tesla zurück zum Strämu. Dort steigen wir um in meinen «SUPARU» ! Laurence kann sich von ihren Strapazen erholen, während auch wir uns Richtung Grindelwald bewegen. Skadi Töpken Kultrunde «Grosse Scheidegg» – die Rennvelostrecke am INFERNO Triathlon Voller Motivation und Tatendrang startete ich - nach der pandemiebedingten Verschiebung von 2020 auf 2021 - in die Vorbereitung auf die 97 km lange Strecke über die Grosse Scheidegg mit 2500 hm. Ich absolvierte viele Grundlageneinheiten zu Hause auf dem Ergometer. Meiner Meinung nach ersetzt das aber nur bedingt das Fahren auf der Strasse. Geplant war natürlich auch 1 bis 2 x die Originalstrecke zu fahren. Allerdings war unser Sommer nicht wirklich «gümmelerfreundlich» – selbst für die Bike to Work-Aktion konnte ich nicht von allzu viele Kilometer beitragen. Allerdings war meine Teilnahme am Eintagesrennen «Chasing Cancellara» Bern – Andermatt als Vorbereitung top und muss unbedingt erwähnt werden: mit meinem Gespänli Rolf Däppen fuhren wir 197 km und 4 500 hm über Grimsel, Nufenen und Gotthard von Bern auf Andermatt. Leider fiel das Training über die Grosse Scheidegg am 1. August wegen Unwetterwarnung aus. So gab es nur noch eine speziellere Vorbereitung: die «Gurnigel – Panorama – Classic». Bei diesem Rennen werden jeweils nur die Anstiege zeitlich erfasst und jeder darf selbst festlegen, ob er nun einmal, zweimal oder dreimal den Berg bezwingen möchte. Ich fuhr zwei Anstiege. Ein spezieller Dank geht für die Motivation und Unterstützung hierfür an Bernhard Bieri. Am Wettkampftag lasse ich es mir nicht nehmen, den Start der Schwimmerinnen und Schwimmer zu beobachten und lautstark zu unterstützen. Die wenigen Kilometer dem See entlang zur Wechselzone Schwimmen – Rennvelofahren in Oberhofen nutze ich zum Warmfahren und bin schon das erste Mal stolz, mein geliebtes Rennvelo in der Wechselzone stehen zu sehen. Der Wechsel klappt super und ich fahre los. Die erste Hälfte der Strecke führt über Beatenberg auf fast 1 200 m, weiter über Interlaken nach Meiringen und bereiten mir keinerlei Probleme. Dann kommt der Abzweiger in Meiringen zum Anstieg über die Grosse Scheidegg. Da herrschen natürlich gemischte Gefühle: Respekt, etwas Angst und dennoch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es geht trotz fehlender spezifischer Vorbereitung – langsam, aber stetig – trotzdem ganz gut und ich komme heil in Grindelwald an und kann geschafft und happy an unsere MTB Fahrerin – Yvonne Kohli – übergeben. Feli Liechti-Odermatt In Grindelwald haben wir genug Zeit, um etwas zu essen und zu trinken und Yvonne für ihre Biketour vorzubereiten. Kurz nach Mittag kommt dann schon bald Skadi angefahren, sie hat in der Zwischenzeit in knappen 4.40 Std. mit dem Rennvelo eine Monstertour hinter sich gelegt. Auch diese Übergabe läuft wie geschmiert, der Chip wird Yvonne um die Füsse gebunden und endlich geht es auch für sie los. Ich packe das Rennvelo von Skadi ein, nehme Laurence und Skadi ins Auto und fahre los nach Stechelberg, wo uns Catherine erwarten wird, um dann für die letzte Teilstrecke zu übernehmen. Yvonne Kohli Da ich bereits seit dem frühen Morgen wach bin, versuche ich mich vor meinem Start in Grindelwald noch etwas auszuruhen und die Beine hoch zu lagern. Feli, unsere «gute Fee», hat an alles gedacht, und ich darf mich auf eine mitgebrachte Picknick-Decke legen und werde von Laurence sogar noch massiert :-). Je länger wir dann beim Übergabeposten in Grund warten und je mehr Teams vom Rennvelo aufs Bike wechseln, desto nervöser werde ich. Ich möchte auch gerne los...! Dann kommt Skadi angebraust, ich nehme ihr den Chip ab, mache diesen am Fuss fest und los geht’s. 1 180 hm und 30 km warten auf mich! Es ist kein Warm-up möglich, es geht gleich hoch Richtung Kleine Scheidegg. Ich fühle mich gut, die Nervosität klingt langsam ab, und ich finde einen guten Rhythmus. Auf dem Weg nach oben kann ich erfreulicherweise zwei Frauenteams überholen, was mich sehr motiviert. Das letzte Teilstück hat es dann mega in sich, ich muss kämpfen und auch 2 x kurz absteigen und das Bike schieben. Nach 1.33 Std. komme ich oben auf der Kleinen Scheidegg an und darf jetzt die lässige Abfahrt unter die Räder nehmen. Es gilt aber gut Acht zu geben und immer bremsbereit zu sein weil Wanderer*innen unterwegs sind, die aber sehr rücksichtsvoll sind und sich mit uns über den Event freuen. Der letzte Abschnitt von Lauterbrunnen nach Stechelberg ist noch einmal ziemlich streng, da sich die Strecke hauptsächlich auf der Asphaltstrasse befindet. In Stechelberg erwarten mich meine All Blacks-Frauen. Unsere Läuferin Catherine schnappt sich den Chip und startet sofort auf die Laufstrecke hoch nach Mürren. Feli Liechti-Odermatt Nach ca. 2.14 Std. braust Yvonne schon in die Wechselzone. Der Chipwechsel geht glatt vor sich und wuschhhh, Catherine ist weg. Ich mache mich mit den drei Athletinnen auf den Weg zur Seilbahn, und wir fahren hoch nach Mürren, um Catherine im Ziel zu empfangen. Catherine Lohri Ich reise alleine auf Stechelberg an und kann meinen Berglauf mit weniger Nervosität in Angriff nehmen. Selber habe ich schon 1998 als Athleten-Betreuerin mitgemacht; 2001 startete ich dann das erste Mal als Single-Athletin. Seit 20 Jahren bin ich nun jedes Mal in irgendeiner Disziplin dabei, davon 4 x als Single-Athletin. Ich kenne meine Strecke also in- und auswendig. Ich bin zwar nur ins Team reingerutscht, weil Feli sich den Fuss kaputt gemacht hatte. Trotzdem bin ich gut motiviert. Ich hatte zwar viel zu wenig Zeit zum Trainieren, habe aber trotzdem den Jungfrau Marathon im Visier. So sehe ich diesen Wettkampf auch als Vorbereitung zum JFM an. Aber dann erwischt mich eine Woche zuvor noch eine Magen-Darm Grippe. Oh Gott, oh Gott, nicht das noch. Ab Donnerstag geht es aber wieder besser. Ich starte verhalten, weiss, ich muss vorsichtig sein, Vollgas ist nicht erlaubt. Meine Strecke geht von Stechelberg nach Lauterbrunnen, hoch zur Grütschalp und dann zum Ziel auf Mürren. Es sind 17 km und 800 m Höhendifferenz. Ich fühle, es läuft gut, ich darf zulegen und mich fordern. Zügig geht’s dem Ziel zu. Feli Liechti-Odermatt Natürlich müssen wir da oben nicht lange auf Catherine warten, sie legt mit 1.51 Std. eine grandiose Zeit hin. Gemeinsam laufen die vier tollen Frauen ins Ziel ein. Mit dem 2ten Kategorienrang werden sie für all diese Vorbereitungen belohnt! Ich bin so stolz auf diese La «Tex»-Girls! Es war für mich ein Tag voller Emotionen, ich fieberte mit, wie ich das noch nie zuvor erlebte. Nun habe ich eine Erfahrung mehr in meinem Rucksack, hoffe aber sehr, beim nächsten Mal wieder selber am Start stehen zu können. Danke für diesen tollen Tag. Yvonne, Laurence und Skadi Grossen Dank an Catherine für das kurzfristige Einspringen für Feli und lieben Dank an Feli für die sooo tolle Unterstützung, trotz deiner Verletzung! Weitere «All Blacks» am Inferno Triathlon im EinsatzSimon Leiser wagte sich erstmals als Single-Athlet an die grosse Herausforderung und meisterte diese mit dem 31. Rang souverän! Zwei Männer bewältigten den Inferno Halbmarathon von Lauterbrunnen auf das Schilthorn. Christoph von Känel 2. und Hugo Schneider 31. Kategorienrang Team Biomilk in der Kategorie «Team Trophy Herren» mit den beiden «All Blacks» Simon Brenzikofer (Schwimmen) und Michael Maurer (Berglauf) 16. Rang ******************** Die Inferno-Medienchefin und All Blacks Thun-Athletin Corinne Sauer schloss den Fun Triathlon auf dem 3. Platz ab. Dieser Wettbewerb beinhaltet für Erwachsene folgende Distanzen: 200 m Schwimmen, 5.2 km MTB, 2.6 km Laufen. Für Kinder sind es sogar nur die Hälfte. Corinne schreibt dazu: «Das ist ideal, um Freude zu haben und erste Tri-Erfahrung zu sammeln. Das könnte doch auch etwas sein für andere All Blacks Thun-Mitglieder, die gerne so was ausprobieren möchten ;-)!»
Auch ein bewährtes All Blacks Thun-Helferteam ist mit 10 Leuten seit mehreren Jahren am Inferno dabei! Auch ihnen soll applaudiert werden! Hanna Frei koordiniert jeweils die Gruppe. Sie wird in der Wechselzone in Grindelwald eingesetzt. Dort übernehmen sie diverse Aufgaben im Verpflegungsposten, der Streckensicherung und in der Organisation der Staffelübergabe. Dieses Jahren waren dabei: Anna Katharina Stryker, Erika Schaffhauser, Hanna Frei, Hélène und Rolf Grossenbacher, Maia Brönnimann, Martha Ruch, Peter Schenk, Theo Aemmer und Therese Hofer. Von Silvia Stucki & Roland Riedener (Fotos von Roland) Im Leben braucht man ein paar Standbeine die sich ergänzen und uns im Gleichgewicht halten. Mal ist das eine wichtiger, mal das andere. Sie ergeben sich zum Teil von selbst, geprägt durch das Elternhaus, die Schule, den Beruf, das Umfeld oder man baut sich selber solche Beine auf durch Beziehungen und dem Verfolgen eigener Ambitionen. Manchmal braucht es eine Krise, bis man auf die Idee kommt, sich so ein Standbein aufzubauen oder ein bestehendes zu stärken, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Wir werden dann sozusagen gezwungen, etwas zu unternehmen, um wieder zu unserem Glück zu finden. Dass wir dabei gleich noch ein in uns schlummerndes Talent entdecken, ist natürlich der Idealfall. Und wenn es so gar nicht zu meinen anderweitigen Tätigkeiten passt? Dass dies durchaus gut funktionieren kann lebt uns Silvia Stucki vor. Sport – zielorientiert, anstrengend, diszipliniert, fokussiert, körperlich, genau, Regeln, gegebene Abläufe. Kunst – sinnlich, geistig, Inspiration, Freiheit, keine Regeln, eigene Interpretationen, keine Vorgaben, spontan. Silvia Stuckis Freude an körperlicher Betätigung und über ein gutes Laufresultat konnte ich an unzähligen Trainings und Laufveranstaltungen schon vielfach spüren. Aber ein anderes Standbein, die Freude an Kunst, das Talent zum Malen, wie ist das entstanden? Mit einem Besuch in ihrem Atelier in Interlaken wollte ich mehr über ihre künstlerische Seite entdecken. Ein unerwartet grosser, heller Raum erwartet mich. Arbeitstische, Malutensilien, Bilder geschmackvoll an den Wänden aufgemacht und reihenweise am Boden stehend, Couch, Kaffeemaschine, Atelierstaffelei mit einem grossen Niesen, über allem der leicht beissende Geruch von trocknender Farbe. Das ist der erste Eindruck. Nach einer langen verletzungs- und coronabedingten Pause, während der wir uns nicht mehr sahen, hat mir die Künstlerin ihre Tür geöffnet. Roland: Wann hast du dein Talent zum Malen entdeckt? Silvia: Ich weiss nicht, ob die Lieblingsbeschäftigung meiner Kindheit, das stundenlange Ausmalen von Kinderbüchern, schon der Einstieg war. Auf jeden Fall trat diese Beschäftigung später beim Erwachsen werden in den Hintergrund. Erst die seelische Not nach der Scheidung ebnete mir viel später den Weg zurück zu meiner Begeisterung für das Malen. Ich zügelte damals nach Biel und lernte zufälligerweise einen Künstler kennen. Er erklärte mir seine Techniken und seinen Stil, und ich durfte sein Atelier benutzen. Schnell begann ich selber zu experimentieren. Ich merkte, wie gut es mir dabei ging, wie ich dadurch für eine Weile alles um mich herum ausblenden konnte, wie schnell ich dabei in jeder Hinsicht Fortschritte machte. Seither ist das Malen ein Teil von mir, je nach anderweitiger Beanspruchung mit ganz unterschiedlicher Intensität. Ich besuchte zahlreiche Aus- und Weiterbildungen in unterschiedlichsten Techniken bei verschiedenen Kunstschaffenden und Ausbildungsinstitutionen. Roland: Was bedeutet das Malen heute für dich? Silvia: Malen entführt mich aus der Realität in die Stille und Weite einer anderen Welt, führt mich in Unbeständiges und Unergründliches, in Geheimnisse, Träume, in ein Meer von Nichts, in ein Gefühl der völligen Vertieftheit und unbegrenzten Freiheit, in der nichts muss, aber alles darf, in der es kein richtig oder falsch gibt. In eine Welt nur für mich. Roland Wie würdest du heute deinen Stil beschreiben? Silvia: Mein Stil ist geprägt durch Überlagerung sorgfältig aufeinander abgestimmter Farbnuancierungen. Vordergründig steht die Harmonie. Aber nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei näherem Betrachten sind die Zerbrechlichkeit, die Spuren des Verfalls, die Narben, Risse und Verletzlichkeiten deutlich sicht- und spürbar. Das Geheimnisvolle verbirgt sich in der Tiefe, das Schöne oftmals unter der Oberfläche. Meine bevorzugten Farben sind Grau-, Weiss-, Schwarz- und Blautöne. Das Laute und Schrille, das Knallige liegt mir nicht und entspricht wohl auch nicht meinem Naturell. Ich mische alle Farben selber, diese einfach aus der Tube zu nehmen, das geht gar nicht. Ich arbeite meist auf Leinwand, bei kleineren Formaten auch auf Holz, Karton und Papier. Silvia nimmt einen Kübel, platziert mit einer Spachtel ein paar Züge einer fetten, weissen Masse auf ein grosses, auf dem Boden liegendes Bild. «Warum so beschwerlich», frage ich. «Warum nimmst du das Werk nicht auf einen Tisch?» Das geht nicht mit einem Bild dieser Grösse. Dann kann ich es nicht richtig als Ganzes sehen, dann stimmt die Optik nicht. Wegen den Materialen, die ich benutze, müssen meine Bilder liegen, wenn ich daran arbeite. Ist es zu gross, um auf einem Tisch die ganze Fläche zu erreichen, muss ich es auf dem Boden machen, dann sehe ich es auch perspektivisch richtig. Wenn ich mit einem Anstrich fertig bin, kann ich diesen noch Ritzen oder Formen reinmachen. In ein paar Tagen, nach dem Trocknen, wird dann das Bild ganz anders aussehen. Die Farben verändern sich, es können auch Risse und Dellen entstehen. Wenn ich dann weiter arbeite, lasse ich mich vom vorhandenen inspirieren, übermale es wieder, bringe teilweise darunterliegendes erneut hervor, ein richtiges Abenteuer. Ich experimentiere teils auch mit Papier-, Stoff- und Fotocollagen. So entsteht Schicht für Schicht das Bild. Jedes Exemplar ist ein Experiment, so wie ich das ganze Leben als ein Experiment betrachte. Ich mache immer weiter und übermale wieder und wieder, bis das Bild für mich stimmt. Beim Anschauen muss es den Betrachter inspirieren. Man erkennt Zerbrechlichkeit, Spuren des Verfalls, Narben, Risse und Verletzlichkeiten sind sicht-, aber auch spürbar. Roland: Wo inspirierst du dich? Silvia: In der unerschöpflichen Quelle der Natur. Ich streife durch das Land und halte mit dem Fotoapparat Motive fest, die in tausenden, kaum sichtbaren Kleinigkeiten einfach da liegen – am Wegrand, im Wald, am Wasser, in den Bergen, den Wolken, überall. Sie dienen mir in Form, Struktur, Farbe und Komposition als Vorlage zu meinen Bildern. Steinmaserungen, Wasserspiegelungen, Baumrinden, verwitterte Gemäuer und Holzwände, rostiges Metall, Abdrücke im Sand, Felsformationen, Eis-, Schnee- und Nebellandschaften. All diese Sachen faszinieren mich, vor allem die Zeugen und Spuren des Verfalls. Roland: Da kommt mir ein Trainingslauf in der Weihnachtszeit nach Aeschiried in den Sinn. Seit Tagen lag in Thun dichter Nebel. Auf unserem Weg nach oben lichtete er sich dann kurz vor Aeschi. Die ganze Gruppe genoss die Sonnenstrahlen und gab ihrer Freude über die klare Sicht auf die Berge Ausdruck. Nicht so Silvia, für sie war diese neue farbgenprächtige Ansicht der Berge langweilig, bewegungslos, starr und nicht inspirierend. Im Nebel aber sei es interessant und magisch. Nun, so kann man es auch sehen… Silvias Bilder sind abstrakte Bilder, sie sind eine Komposition mit Farben, Kontrasten und Oberflächenstrukturen ohne absichtliche Abbildung von Gegenständen. Wie kommt es denn dazu, dass du im Moment so viele Bilder in allen Grössen vom Niesen malst? Silvia:
Es geht Jahre zurück auf einen Besuch vom Seaside Festival in Spiez. Während der ganzen Zeit hatte ich den Niesen vor mir. Eine Woche danach war ich wieder im Atelier und begann zu malen. Dabei ist eine Art Niesen entstanden, es ist einfach aus mir herausgekommen. Meine Bilder entstehen, während ich diese male, ohne dass ich mir zuvor etwas Gegenständliches vornehme. Dieses Bild verschenkte ich dann später. Prompt bereute ich es danach, ich vermisste das Bild. Das gibt es immer wieder. Bei manchen Bildern überlege ich mir vor dem Verkauf, ob ich es wirklich weggeben soll. Später kontaktierte mich eine Kollegin. Sie habe bei mir mal so ein Niesenbild gesehen, ob ich ihr nicht ein solches malen könne. Ich versuchte es, sehe ich doch den Berg sehr oft, auch auf meinem Arbeitsweg. Damit meine Kollegin das Passende auswählen konnte, malte ich gleich einige davon. Sie kaufte mir gleich 2 Bilder ab! Die anderen stellte ich auf Facebook und merkte, wie gut diese Niesen ansprechen. Obwohl es abstrakte Bilder sind und ich keineswegs etwas Naturgetreues malen möchte, kann jedermann dahinter diesen Berg sehen. Das spricht viele Leute an. Im Moment arbeite ich an einem grossen Niesen. Diesen mache ich jetzt im Auftrag, was eher selten vorkommt. Zuerst schaute ich mir bei meinem Kunden die Wand an, wo das Bild mal hinkommen soll. Es soll 1.2 x 1.8 m gross werden. Ich habe mir gleich drei entsprechende Leinwandrahmen gekauft. Wenn ich die Bilder fertig habe, kann sich der Kunde jenes aussuchen, welches ihm am besten gefällt. Bei Auftragsarbeiten ist immer ein ganz feiner Druck da. Das habe ich eigentlich gar nicht so gern. So kommt es mir ganz gelegen, dass dies eher die Ausnahme ist. Es ist nicht so, dass die Bilder, die mir am besten gefallen und mich am meisten ansprechen, auch bei meinen Kunden oder bei den Besuchern von Ausstellungen am besten ankommen. Da staune ich manchmal, welche Bilder liegen bleiben und welche gekauft werden. Roland: Wieso ist das so? Silvia: Es hat damit zu tun, was man in einem Bild sucht und sieht. Es gibt auch Vorlieben für bestimmte Farben. Manche haben gerne knallige Sachen und finden darin Energie. Ich selber suche in meinen Bildern eher Harmonie und Ruhe. So kann ich einfach nicht mit rot oder grün arbeiten. Diese Farbtöne mag ich nicht so in meinen Bildern. Wenn ich es dann wieder einmal mache, sind es oft gerade diese Bilder, die gut weggehen. Jeder Mensch braucht etwas anderes, hat andere Neigungen. Mir ist einfach wichtig, dass meine Bilder harmonisch sind, Ruhe ausstrahlen und auch mich selber berühren. Roland: Du sagtest mir, dass auch interessierte HobbymalerInnen, oder solche die es werden wollen, dein Atelier benutzen können Silvia: Ja, das ist so. Wenn jemand zu Hause keinen geeigneten Raum und noch kein entsprechendes Material hat, kann er oder sie bei mir seine Kreativität ausleben. Auf Wunsch unterstütze ich die werdenden Künstler auch bei ihrer Arbeit, gebe gerne Tipps in Bezug auf Technik und Bildkomposition. Auch AnfängerInnen begleite ich gerne. Schliesslich aber muss jede*r seinen Stil selber finden. Es geht darum, Mut zu machen um sich malend auszuleben. Es ist manchmal fast lustig zu sehen, wie ängstlich sich viele Anfänger zuerst anstellen, wenn sie ein Bild erschaffen. Jeder Strich, jeder Tupfer, könnte ja schon das ganze Bild vermasseln. Es braucht eine gewisse Lockerheit, dann kann man sich erst entwickeln. Ich engagiere mich auch im Verein «bildende kunstschaffende berner oberland» (bkbeo). Er bezweckt die Förderung und Vermittlung der bildenden Kunst im Berner Oberland. Dort bin ich im Vorstand für «Grafik und Werbung» zuständig. Roland: Verbringst du jetzt, wo du pensioniert bist, die ganze Zeit im Atelier? Silvia: Nein das ist nicht so, wenn ich zu viel da bin, verleidet es mir schnell. Eine komplette Woche könnte ich nicht im Atelier verbringen. Ich brauche viel Abwechslung. Es gibt immer wieder Wochen, wo ich gar nicht in Interlaken bin. Natürlich, wenn ich zum Beispiel viele Bilder für eine Ausstellung abgeben muss, kann es schon sein, dass es für ein paar Wochen ein bisschen intensiver wird. Das war aber auch vor der Pensionierung so. Ich übermale dann auch Bilder, um schneller vorwärts zu kommen und fange nicht mit allen ganz von vorne an. Wenn ich am Malen bin, nimmt das mich so rein, dass mir die Bilder nachts immer wieder im Kopf herumgeistern und ich nicht schlafen kann. Das stört mich sehr, aber ich kann es einfach nicht beeinflussen. Auch deshalb ist die Distanz zwischen Atelier und Zuhause für mich sinnvoll. Mein Atelier ist ein Rückzugsort, in dem ich meiner Kunst frönen kann. Hier kann ich ganz alleine sein. Manchmal kommen aber auch andere Künstler vorbei. Wir trinken zusammen einen Kaffee und tauschen uns aus, oder sie bleiben gleich hier, um in meinem Raum zu arbeiten. Roland: Liebe Silvia, dein Einblick in eine mir eher fremde Welt hat mir sehr gefallen. Jetzt kenne ich schon zwei deiner Standbeine ziemlich gut. Da gibt es noch mehr, ein anderes ist das Ausfahren mit der Harley, aber dazu gibt es vielleicht später mal was. Vielen Dank für deine Geduld, einem Kulturbanausen deine Kunst näherzubringen. Webseite Silvia Stucki www.artstucki.ch Webseite «bildende kunstschaffende berner oberland» www.bkbeo.ch Im Impressum dieses Bulletins ist einigen Lesern sicher schon beim Layout der Name «Beequeen» aufgefallen. Dahinter steht Martine Gilliéron, eine Arbeitskollegin von Stefan Dähler. Über ihre Arbeit beim Layouten unseres Bulletins bin ich natürlich sehr froh. Auf einem WhatsApp-Profilbild zeigte sie sich mal in attraktivem Sport Outfit beim Wegschlagen eines Balls mit einem Schläger, ausgerüstet mit Helm und Handschuhen, die Nummer 3 auf dem Shirt. Auf meine Nachfrage, was sie dann dort treibe, erklärte sie mir, das zeige sie beim Softball, einer Variante von Baseball, die in Europa meist von Frauen gespielt wird. Ich erfuhr, dass diese Sportart schon seit Jahren Martine’s Leidenschaft ist. Eine Gelegenheit für unsere Leser*innen, dieses in der Schweiz nicht so verbreitete, aber weltweit bekannte Spiel näher kennen zu lernen. Gerne gibt uns Martine einen Einblick. Roland: Diese Nummer 3, hat die eine spezielle Bedeutung? Deutet die Zahl auf eine bestimmte Rolle im Spiel hin? Martine: Nein, das ist einfach meine Rückennummer. Die Positionen im Feld (Defensive) sind aber für die Statistik durchnummeriert. Wenn ich also zum Beispiel zweite Base spiele, ist das die Position 4. Roland: Wie hast du den Zugang zu dieser Sportart gefunden? Bist du schon lange dabei? Martine: Ich habe diese Sportart mal als Kind im Fernsehen gesehen und war sofort fasziniert davon. Damals wusste ich aber gar nicht, dass es in Bern einen Baseball-/Softball-Verein gibt. Erst später, als ich in der Lehre war, hörte ich einen Aufruf im Radio, dass bei den Berner Cardinals neue Spieler*innen gesucht werden. Da war ich natürlich sofort dabei. Ich spiele seit ich 18 Jahre alt bin (ich bin jetzt 47 und eine der ältesten Spielerinnen in der Schweiz), aber mit Unterbrüchen. Roland: Kannst du uns etwas zu deinem Verein sagen? Martine: Die Bern Cardinals wurden 1986 vom amerikanischen Opernsänger Dr. Charles Vail und einigen Berner Jungsportlern gegründet, um den an Baseball interessierten Menschen aus dem Einzugsgebiet Bern eine vielseitige Mannschaftssportart zu bieten. Roland: Ist es kompliziert die Spielregeln zu erklären? Mach doch einen Versuch. Ich kenne von der Schule her noch Brennball, das muss eine vereinfachte Form von Softball sein. Martine: Ja, die Regeln haben es in sich. Aber wenn man sie mal kennt, ist das Zuschauen wahnsinnig spannend. Das Spielfeld sieht aus wie ein Viertelstück Kuchen. Vom Spitz aus (dort steht auch die Homeplate) wird geschlagen. Im Innenfeld stehen 3 Bases, die es als Offensive-Spielerin zu umrunden gilt. Ganz aussen steht die Homerun-Fence (Homerun-Zaun). Wenn ein Ball direkt bis über diese Fence geschlagen wird, gilt dies als Homerun. Alle Runnerinnen und die Batterin dürfen alle Bases ablaufen bis «nach Hause». Pro Spielerin, die nach Hause läuft, zählt es einen Punkt. Es spielen zwei Mannschaften gegeneinander; immer 9 gegen 9, wobei jedes Team natürlich noch Reservespielerinnen auf der Bank hat. Man ist als Team mal in der Defensive und dann in der Offensive, das ergibt 1 «Inning» (Durchgang). Von den Innings werden dann bis mindestens 5 – 7 gespielt. Punkte erzielt man nur in der Offensive. Jeder «Run», der nach Hause (Homeplate) kommt (also wenn ein Läufer/Runner alle Bases umrundet hat und über die Homeplate läuft), zählt als einen Punkt. Das Gute an diesem Spiel ist, es gibt kein Unentschieden. Falls ja, wird ein Inning weitergespielt bis ein Team gewinnt. In der Defensive wirft die Pitcherin (Werferin) den Ball dem Batter (Schlägerin) zu. Der Pitch (zugeworfener Ball) muss in der Strikezone (schlagbare Zone) landen, damit der Ball gültig (ein Strike) ist, falls nicht, wird der Pitch als «Ball» vom Umpire (Schiedsrichter) gerufen. Wenn der Pitcher 3 Strikes wirft, ohne dass die Batterin schlägt oder sie daneben schwingt, ist die Batterin «out» (aus). Wenn die Pitcherin 4 «Balls» (schlechte Bälle, also nicht in der Strikezone) wirft, darf die Batterin auf die erste Base vorrücken ohne geschlagen zu haben. Die Defensive versucht 3 «Outs» (Aus) zu erzielen, damit sie nun als Offensive antreten und zu punkten versuchen kann. Weitere Möglichkeiten, Outs zu erzielen sind: Ein aus der Luft geschlagener Ball kann von der Defensive direkt mit dem Handschuh gefasst werden. Oder ein indirekt gefasster Ball (die Schlägerin fieldet einen zu Boden geschlagenen Ball) und wirft den Ball zu einer ihrer Mitspielerin, die am Base steht, wo die nächste Runnerin hinwill, und macht diese Spielerin aus, indem sie den Ball mit dem Handschuh fängt und zum Beispiel mit dem Fuss die Base berührt bevor die Runnerin die Base erreicht. Roland: Ist jede Spielerin auf jeder Position anzutreffen oder gibt es eine Spezialisierung der einzelnen Akteure? Was ist deine Stärke? Martine: Es gibt 9 verschiedene Positionen: 3 Outfielderinnen sind weit aussen im Feld und versuchen die Bälle aus der Luft zu fangen. Sie sind sehr schnell und haben einen sehr guten Wurfarm, da sie weit werfen können müssen. Eine Pitcherin steht im Infield (Innenfeld) und wirft in hoher Geschwindigkeit und mit verschiedenen Spins die Bälle zur Batterin. Ihr Ziel ist es, die Batterin auszumachen, indem die Bälle nicht geschlagen werden können oder zumindest einen schlechten Schlag zu erzielen, der einfach zu fangen sind. Eine Catcherin hat eine Hockeyähnliche Ausrüstung an. Sie steht ihrer Pitcherin gegenüber und fängt die Pitches und wirft den Ball ihrer Pitcherin zurück. Die Catcherin hat einen starken, schnellen Wurf und muss sehr ausdauernd sein, da sie ca. 2 Stunden in der Hocke ist und sehr schnell reagieren muss. Sie ist auch die Leaderin des Teams und dirigiert ihre Mannschaft in der Defensive. Sie hat als einzige Spielerin das ganze Feld im Überblick. Dann stehen noch 4 weitere Spielerinnen im Innenfeld (Infielderinnen), in der Nähe einer Base (first Base, second Base und third Base). Diese versuchen die Bälle zu fangen und die Runnerinnen auszumachen. Diese Spielerinnen sind sehr schnell auf den Beinen, haben einen starken kurzen Wurf und müssen die Spielzüge und die Situation im Griff haben. Meine Position ist im Innenfeld. Ich habe leider ein sehr schlechtes räumliches Sehen und kann im Outfield den Ball erst in letzter Sekunde richtig einschätzen. Eigentlich wäre ich gerne «draussen», da ich sehr gerne und schnell laufen kann. Dank meiner langjährigen Spielerfahrung bin ich im Infield anzutreffen, meistens als second Base oder Shortstop. In der Offensive spielen alle, die in der Defensive spielen. Es gibt eine «Battingorder» (Schlagreihenfolge), wer wann ans Schlagen kommt. In der Offensive muss man den Ball gut einschätzen können, ob dieser ein Strike ist oder Ball, gut schlagen und schnell laufen können und auch mal sich in den Sand werfen können («sliden» ins Base reinrutschen), damit man nicht mit dem Ball von einer Gegenspielerin ausgemacht wird. Wie sehen die Trainings aus? Spielt man einfach das Spiel oder trainiert man auch ganz spezifische Sachen? Wie können so Trainingseinheiten aussehen? Wie fleissig trainiert ihr in der Vorbereitung der Saison? Martine: Wir trainieren mindestens zweimal pro Woche, oft Basics oder einzelne Spielzüge. Dazu kommt «Baserunning» (Lauftraining um die Bases), «Sliding» (in die Base reinrutschen mit dem Fuss zuerst oder auch «Head-first» -> Kopfvoran). Wir haben einen Schlagkäfig, wo wir das Schlagen trainieren mit einer Pitching-machine (Ballwurfmaschine). Jede Frau trainiert für sich selber einmal pro Woche an ihrer Fitness. Im Winter haben wir eine Turnhalle, wo wir mit weichen Bällen trainieren. Roland: Ich nehme an, dass es auch ein taktisches, auf den Gegner ausgerichtetes Spiel ist. Wie sehen diese Taktiken aus? Ist es eine Kapitänin, die im Spiel Einfluss auf das Geschehen nimmt oder steht da gar ein Trainer am Spielfeld? Martine: Wir haben einen Trainer (Headcoach), der am Spielfeldrand steht und uns beim Schlagen und auf den Bases «Signs» (Zeichen) gibt, welche die Gegenmannschaft natürlich nicht kennt. Üblicherweise hätten wir noch einen zweiten Coach, die beim 1. Base stehen würde, leider können wir uns aber keine weiteren Coaches leisten und würden wohl auch niemanden finden in der Schweiz (weil sie rar sind). Die Trainer*innen arbeiten oft benevol oder kriegen eine sehr kleine Entschädigung. Das Spiel ist sehr taktisch, und es braucht viel mentale Stärke. Roland: Du spielst auch in einer Meisterschaft mit. Welches sind da die gegnerischen Mannschaften? Wie wird die Meisterschaft ausgetragen? Hast du mal etwas erreicht, worauf du speziell stolz bist? Martine: Wir spielen Meisterschaften mit Vor- und Rückrunden und Playoffs, trotz Corona konnten wir im 2020 eine verkürzte Saison spielen und haben den 4. Platz belegt. Im 2020 gab es 7 Mannschaften bei den Frauen aus Zürich, Luzern, Basel, Dulliken und Wittenbach. Leider ist diese Sportart in der Schweiz nicht sehr bekannt, auch fallen immer wieder Frauen wegen Babypausen weg, die aber teils danach wieder mittrainieren. Unsere jüngste Spielerin ist 14jährig, die Älteste 47 (ich). Das Schöne an dieser Sportart ist, dass man ziemlich lange spielen kann, mit Spielerfahrung kommt man weit J. Stolz bin ich auf die Teilnahme der Europameisterschaften in Zagreb (bei 40 Grad!) und Antwerpen (bei Dauerregen) und die Teilnahme eines Europacups in Athen im olympischen Stadion und auf einem Feld der amerikanischen Militärbasis. In Athen spielte ich im Team der Therwil Flyers mit und in Madrid mit den Zürcher Barracudas. Das Stadion war nach den olympischen Spielen leider sehr heruntergekommen, da es nicht mehr benutzt wurde. Keine der griechischen Mannschaften konnte es sich leisten, das Stadion für den Verein zu mieten. Im Outfield wuchsen schon Blümchen zwischen dem vertrockneten, fast nicht mehr vorhandenen Rasen. Aber das Spielfeld war immer noch besser als das, was wir in der Schweiz manchmal antreffen. Leider hat es vor lauter Fussballfelder nicht mehr viel Platz für Softball- und Baseballfelder, schon nur wegen der ungewöhnlichen Form und Grösse. Roland: Ich nehme an, die Wettkampfsaison ist im Sommer. Trainiert ihr auch im Winter? Martine: Die Saison fängt an Ostern an und dauert bis in den Herbst hinein. Wir trainieren im Winter in einer Halle und dann meistens Basics. Jede Frau treibt auch sonst noch Sport, um sich fit zu halten. Während der Corona-Phase wurde uns wöchentlich ein Fitnessprogramm per Skype angeboten. Roland: Was macht für dich den Reiz dieser Sportart aus? Martine: Diese Sportart ist sehr vielseitig und verlangt physische wie mentale Stärke. Man schlägt, rennt, fängt, wirft usw. Auch dass man draussen und in einer Mannschaft spielt, gefällt mir sehr. Wir haben einen tollen Zusammenhalt, auch kennt man sich untereinander in den Mannschaften gut, und es macht Spass, gegeneinander anzutreten. Roland: Vielen Dank, Martine, für deine ausführlichen Antworten und die Einblicke in deinen interessanten Sport. Ich hoffe, du kannst diesen noch ein paar Jahre ausüben und mit den Jungen mithalten. Es freut mich, dass du trotz deiner anderweitigen Interessen auch noch Zeit findest, weiterhin unser Bulletin in eine gefällige Form zu bringen. Club von Martine Gilliéron: Bern Cardinals Baseball und Softball Club www.berncardinals.ch Baseball-Verband der Schweiz www.swiss-baseball.ch Übrigens hat Thun auch einen Baseball- Softballverein!: www.hunters.ch Informationsbulletin All Blacks Thun "Schwarz auf Weiss" schwarz auf weiss- Informationsbulletin - All Blacks Thun David Zysset & Roland Riedener (Fotos zur Verfügung gestellt von David) Dem Rücktritt von David Zysset als Trainer hat unser Präsident schon in den «Infos von der Vereinsleitung» einen Abschnitt gewidmet. Er hinterlässt eine Lücke, die nicht so einfach zu füllen ist. Mit dem folgenden Interview möchte ich unseren Mitgliedern seine lange Karriere in unserem Verein etwas näherbringen. Gerne nahm er sich die Zeit, mir Red und Antwort zu stehen. Sportlicher Weg Roland: Wie kamst du als Schüler zu den All Blacks Thun? David: Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ich glaube mit vierzehn oder fünfzehn Jahren habe ich das erste Mal ein Lauftraining bei den All Blacks absolviert. Es war der Zeitpunkt als ich mich entschieden habe, vermehrt auf die Karte Leichtathletik zu setzen. Bis dahin habe ich auch noch Eishockey gespielt. Ich suchte einen Verein in der Region Thun, der sich auf den Laufsport spezialisierte, und dafür fand ich mit den All Blacks den idealen Verein. Hinzu kam, dass damals mit Fritz Schmocker ein Trainer bei uns tätig war, der ein enormes Fachwissen und ganz viel Erfahrung hatte und mit seiner Leidenschaft für die Leichtathletik alle begeistern konnte. Roland: Etwas musst du schon in die Wiege gelegt bekommen haben. Bereits ein Jahr nach deinem Beitritt gelang dir der Schritt auf die Frontseite unseres Vereinsbulletins! Was ist dir in guter Erinnerung geblieben aus diesen ersten Jahren bei den All Blacks? David: Da gibt es unzählige Erlebnisse und Erinnerungen, an die ich auch heute noch sehr gerne zurück denke, die ersten Trainingslager, damals noch in Tirrenia und St. Moritz, die vielen abwechslungsreichen und harten Trainingseinheiten im Schorenwald, im Lachenstadion oder die Hallentrainings in Thierachern. Fritz hat uns in dieser Zeit vermittelt, was es heisst, Leistungssport zu betreiben. Durch die harten Trainingseinheiten konnte unsere Trainingsgruppe dann auch immer wieder Erfolge feiern, beispielsweise an Staffelschweizermeisterschaften. Aus sportlicher Sicht waren für mich diese Erfolge jeweils fast noch wertvoller als die Einzelresultate, weshalb sie mir besonders in Erinnerung blieben. Wenn man als Trainingsgruppe ein ganzes Jahr zusammen trainiert und am Ende der Saison als Team gemeinsam eine Medaille holen konnte, war dieses Gefühl unbeschreiblich schön. In St. Moritz kann ich mich an ein Erlebnis erinnern, das ich ebenfalls nie mehr vergessen werde. Nach einer harten Trainingseinheit auf der Finnenbahn in Corviglia auf 2550 m über Meer wettete Fritz mit uns, dass keiner von uns durch den Lej Alv schwimmen würde – schliesslich sind alle irgendwie durchgeschwommen! Fritz durfte dann am Abend die Nachtessen bezahlen... Roland: Kannst du dich auch an Erlebnisse / Vorkommnisse erinnern, die dir eher Mühe bereitet haben? David: Im Jahr 2000 verunglückte mit Christoph Kunz unser Vereinskollege mit dem Motorrad so schwer, dass er an den Rollstuhl gebunden wurde. Wir erfuhren damals diese Nachricht auf dem Weg zu einem Wettkampf. Für uns alle war diese Nachricht ein grosser Schock. Schlagartig wurde mir damals aufgezeigt, wie schnell sich das Leben ändern kann. Persönliche Bestzeiten oder Medaillen geraten in solchen Momenten in den Hintergrund und werden völlig belanglos. Umso schöner ist es zu sehen, welchen Weg Christoph trotz diesem tragischen Unfall gehen konnte. Roland: Ist dir das erste Jahr mit einer Lizenz von Swiss Athletics noch in Erinnerung? Wie entwickelte sich deine Leichtathletik Karriere weiter in den Kategorien U16, U18 und darüber hinaus? David: Meine erste Saison in der U16 ist mir noch bestens in Erinnerung. Ich absolvierte bis dahin viele regionale Wettkämpfe. Mit den ersten nationalen Bahnrennen wurde mir damals aufgezeigt, wie hoch das Niveau auf der Bahn ist. Ich benötigte rund ein Jahr, um mich anzupassen. In den Nachwuchsjahren bis und mit U23 war ich dann über 1500 m und 3000 m meistens unter den besten 5 meiner Kategorie. Für ganz nach vorne reichte es mir in dieser Zeit aber nie, da waren andere stets noch etwas schneller. Das Schöne an der Bahn empfand ich aber stets auch immer im Kampf gegen mich selbst und gegen die Uhr. Wenn ich eine persönliche Bestzeit aufstellen konnte, bereitete mir das jeweils grosse Freude und motivierte mich zugleich, noch härter zu arbeiten. Roland: Wer waren deine Trainer und deine hauptsächlichen Trainingskollegen? David: Wie bereits gesagt wurden die ersten Jahre von Fritz Schmocker geprägt, er gab mir viel mit, was mich auch in meiner Trainertätigkeit später prägte. Als Fritz dann Nationaltrainer bei Swiss-Athletics wurde, übernahmen Stefan «Spilli» und Ursula Spielmann die Trainingsleitung in unserer Gruppe. Unter ihnen lief ich alle meine persönlichen Bestzeiten. Sie verstanden es, mit ihrer offenen, wertschätzenden und empathischen Art die Athlet*innen stets partizipativ miteinzubeziehen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, was ich sehr schätzte. Im Herbst meiner Leistungssportkarriere war dann noch Peter Mathys zuständig für mich. Pesche besitzt über ein unheimlich grosses Fachwissen, und auch von ihm konnte ich vieles lernen. Während dieser Zeit konnte ich sehr viele Trainingskolleginnen und Trainingskollegen kennen und schätzen lernen. Mit vielen habe ich nach wie vor regelmässig Kontakt. Speziell sind sicher die Freundschaften mit Karin Imhof, wo ich Götti sein darf von ihrem Sohn Noé, mit Remo Wyss, Marcel Briggen und Sebastian Graf, die ihrerseits Göttis sind von unseren Jungs. Roland: Die Wettkämpfe auf der Bahn haben es dir angetan. Welche Distanzen hast du am Liebsten bestritten? David: Ja, die Bahnsaison war stets der Höhepunkt in meinen Leistungssportjahren. Grundsätzlich lief ich am liebsten 1500 m und 3000 m. Ich empfand die Abwechslung der Wettkämpfe aber stets als sehr bereichernd. Die Stadtläufe im November und Dezember und danach die Crossläufe von Januar bis März sagten mir aber ebenfalls sehr zu. Roland: Welche Erfolge und erreichten Zeiten würdest du als deine wertvollsten bezeichnen? David: Auf nationaler Ebene bei der Elite waren es wahrscheinlich der 4. Rang an den Kurzcross Schweizermeisterschaften 2006 und der 9. Rang über 1500 m im Jahr 2007. Auch die CISM Länderkämpfe im Cross, als ich die Schweiz vertreten durfte, oder die Medaillen bei Team- und Staffelschweizermeisterschaften gehören zu meinen persönlichen Highlights. Die 3:53 über 1500 m ist wohl meine wertvollste Zeit, die ich auf der Bahn gelaufen bin. Roland: Kannst du ein besonders schönes Erlebnis aus deiner aktiven Zeit beschreiben? David: Unsere erste Bronze-Medaille an den Team Schweizermeisterschaften 2007 in Bern mit Jonas Fahrni, Remo Wyss und Marcel Briggen. Obwohl keiner von uns ganz vorne mitlaufen konnte und wir in der Qualifikation nur Rang 7. belegten, konnte jeder einzelne über sich hinauswachsen, und so konnten wir als Team und vor allem als Freunde diese SM Medaille gewinnen. Über diesen Erfolg fachsimpeln und prahlen wir auch heute immer noch, wenn wir uns treffen. Privater Weg Roland: Gingst du in Uetendorf zur Schule beim Start in deine Karriere bei den All Blacks? David: Ja, das ist korrekt. Roland: Soviel ich weiss, hast du danach eine KV Lehre gemacht. Stimmt das und wo war das? Wie war das zu vereinbaren mit Laufsport auf hohem Niveau? David: Ich habe von 1999 bis 2002 die KV Lehre auf der Gemeindeverwaltung Uttigen absolviert. Mein damaliger Chef war ein grosser Sportfan, und so hatte er viel Verständnis für meine Leidenschaft und somit auch für die sportbedingten Abwesenheiten. Roland: Wie ging es nach der Lehre weiter mit der ersten Arbeitsstelle? David: Nach der Lehre habe ich zwei weitere Jahre im kaufmännischen Bereich gearbeitet, bevor ich anschliessend die Berufsmaturität absolvierte und das Studium zur sozialen Arbeit begann. Roland: Deine Frau Andrea lernte ich bei Trainings für den Jungfrau Marathon kennen. Anfangs waren wir hie und da etwa gleich schnell unterwegs. Habt ihr euch durch den Laufsport kennengelernt, oder ist Andrea erst danach von dir angesteckt worden? David: Nein, wir haben uns ausserhalb des Laufsportes kennengelernt. Sie war zu diesem Zeitpunkt aber bereits sehr polysportiv, was uns von Anfang an verbunden hat. Für den Laufvirus war aber dann wahrscheinlich schon ich zuständig;-)... Roland: Heute ist die Sozialarbeit dein Broterwerb. Warum hast du dich entschieden, eine entsprechende Weiterbildung anzugehen. War es ein schwieriger Entscheid? Wie sieht heute deine Arbeit aus? David: Der Kontakt mit unterschiedlichen Menschen hat mir schon immer gefallen, und mir wurde bereits während der KV-Lehre klar, dass ich nicht mein ganzes Arbeitsleben vor dem Computer verbringen möchte. Mit Spili hatten wir damals einen Trainer, der ebenfalls in diesem Bereich arbeitete und mich motivierte, diese Ausbildung in Angriff zu nehmen. Heute arbeite ich für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB und habe mich auf die Themenbereiche «Kindesschutz und Migration» spezialisiert. Roland: Die Jahre vergehen… du bist Vater dreier Kinder. Wie heissen sie? Das älteste wird schon bald in die Schule gehen? David: Ja, wir haben mittlerweile drei Knaben, Laurin, Floris und Lian, die uns täglich auf Trab halten. Laurin wird nächsten Sommer in die erste Klasse kommen und Floris in das zweite Kindergartenjahr. Sie sind nun langsam in einem Alter, wo sie selbst gewisse Interessen und Hobbys entwickeln, die ich gerne begleiten möchte. Das war schliesslich der Hauptgrund, wieso ich mich entschieden habe, mein Engagement als Trainer zu beenden, damit ich genügend Zeit für die Familie habe. Trainer- und Vorstandstätigkeiten Roland: Gerne würden wir natürlich noch erfahren, wie sich dein Engagement für den Verein entwickelt hat. Wie kam es dazu, dass du anfingst, Trainings zu leiten? David: Die Jugendriege der All Blacks Thun wurde 2009 neu aufgebaut, und Marcel Briggen stellte sich damals zur Verfügung als Trainer. 2012 war dann die Gruppe so gross, dass es Marcel nicht mehr möglich war, die Trainings alleine zu leiten und so hat er mich gefragt, ob ich ihn unterstützen könnte. Wir konnten uns als Trainer dann gemeinsam mit unseren Athletinnen und Athleten entwickeln. Was einmal in der Jugendriege begann, wurde immer mehr und intensiver, bis wir schliesslich die Leistungssportgruppe der All Blacks Thun übernehmen konnten. Roland: Im Bulletin 1/2009 habe zum ersten Mal den Namen David Zysset im Vereins-Organigramm gefunden. Dein Ressort nannte sich «Strassenlauf / Jogging / Bahn». Später hiess dein Ressort dann «Sport», und am Schluss warst du in der Vereinsführung für den Nachwuchs zuständig. Kannst du uns schildern, wie sich aus deiner Sicht die Aufstellung im Vorstand und damit auch deine Aufgaben verändert und entwickelt haben? Wenn ich das richtig sehe, würden wir da über einen Zeitraum von 12 Jahren sprechen. David: Ursprünglich wurde ich 2008 als Athletenvertreter in den Vorstand gewählt. Es war uns in der Leistungsgruppe damals wichtig, dass die Anliegen und Bedürfnisse der Athletinnen und Athleten im Vorstand besser vertreten werden. Wir haben dann dem Vorstand diesen Vorschlag unterbreitet, und der Verein ist erfreulicherweise darauf eingetreten. Im Ressort «Strassenlauf / Jogging / Bahn» habe ich mich anschliessend vermehrt auch noch mit dem Breitensport befasst. So haben wir damals beispielsweise die Einsteiger-Laufkurse lanciert oder die sogenannte «Fun-Gruppe», in der auch Anfängerinnen und Anfänger willkommen waren. Ich weiss noch, dass die All Blacks zu dieser Zeit den Ruf hatten, dass nur ambitionierte Läuferinnen und Läufer an den Trainings teilnehmen können. Mit diesen Projekten wollten wir diesbezüglich Gegensteuer geben, was uns, so glaube ich, auch gelungen ist. Im Ressort «Sport» aber auch im Ressort «Nachwuchs» beschäftigte ich mich dann mehr mit dem Leistungssport und der Entwicklung dieser Sparte in unserem Verein. Generell hat mir die Arbeit im Vorstand immer grosse Freude bereitet, und mit unserem Präsidenten durfte ich während meiner ganzen Zeit im Vorstand eine Persönlichkeit an meiner Seite haben, die mich in meinen Anliegen stets unterstützte und von der ich in jeglicher Hinsicht viel profitieren und lernen konnte. Roland: Was für Ausbildungen Richtung Lauftrainer hast du absolviert? Wie sind diese Kurse aufgebaut? David: Ich bin mit Kindersport- und J&S-Kursen gestartet. Anschliessend habe ich die Diplome zum Trainer C und Trainer B absolviert. Diese Kurse sind modular aufgebaut und fanden jeweils in Magglingen und Tenero statt. Daneben pflegten wir einen regelmässigen Austausch mit den Nationaltrainern Mittel- und Langstrecken bei Swiss- Athletics, von welchen wir ebenfalls immer wieder neue und interessante Inputs erhielten. Roland:
Da ist vieles parallel geschehen. Neben dem beruflichen und privaten Werdegang warst du bei den All Blacks Thun Leistungssportler, Vorstandsmitglied und Trainingsleiter. Erst jetzt, wenn ich mir deine Daten zusammentrage, merke ich, wieviel da zusammengekommen ist. Willst du dazu etwas sagen? David: Ich glaube ich habe nun genug erzählt;-)... Ein paar Fragen kreuz und quer Roland: Sieht man dich weiterhin an den Trainings? David: Selbstverständlich – wahrscheinlich am Mittwoch und wenn es die Zeit zulässt, würde ich auch gerne ab und zu ein Berglauftraining besuchen. Roland: Was macht All Blacks Thun als Laufverein attraktiv? David: Dass der Verein wirklich jedem Alter und jedem Niveau etwas bietet und sich dies kombinieren und verbinden lässt. Auch habe ich die Solidarität in unserem Verein immer sehr geschätzt. Roland: Was möchtest du gerne noch lernen? David: Hmmm... das Handwerk eines DJ’s würde ich gerne erlernen. Roland: Wie lange hältst du es ohne Handy aus? David: Mit Kindern wird man gezwungen, das Handy ab und zu etwas länger beiseitezulegen... Roland: Wann hattest du richtig Glück? David: Immer wieder mal – ansonsten versuche ich es zu erzwingen;-)... Roland: Ich hoffe, dass du es künftig nicht oft erzwingen musst, sondern dass es dir immer wieder mal mühelos zuteilwird. Für den Einblick in deinen sportlichen und privaten Weg danke ich dir bestens. Für die Zukunft wünsche ich dir neben dem vielen oben erwähnten Glück, Erfolg und Freude im Beruf und mit der Familie. Wer weiss, in nicht allzu ferner Zeit gibt es vielleicht in der Jugi wieder einen «Zysset», der sich mit einem All Blacks Thun-Shirt auf einen Start vorbereitet. Das Kürzel SUP ist mittelweilen breitläufig bekannt. Am Seeufer werden die Bretter aufgeblasen oder von den Autodächern ins Wasser getragen. Mit Hund oder einem Picknick dabei lassen sich so erholsame Stunden auf dem See geniessen. Spass auf dem Wasser, das muss zur Geburtsstunde dieser Fortbewegung im Vordergrund gestanden haben. Das tut es sicher immer noch. Man kann aber auch Spass haben und dabei einen leistungsorientierten Sport betreiben. Das muss wohl so sein, wenn man sich mit ganzem Einsatz in einem wettkampfmässigen Umfeld bewähren will. Ich glaube, es ist wie bei allem, was man mit einem Brett tut, da wird Fun speziell zelebriert (Skateboard, Snowboard, Wakeboard usw.) Da passt es für mich ins Bild, dass ich Anna während den Sommerferien per Mail am Meer erreicht habe. Nämlich in der Bretagne in einem Trainingslager! Das tönt nach Ferien und Spass. Ist es auch so? Roland: Willst du uns einleitend etwas zu deiner Person sagen? Anna: Mein Name ist Anna Tschirky, ich bin 17 Jahre alt und bin diesen Sommer in das dritte Jahr des Gymnasium Thun gestartet. Zusammen mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder Felix, welcher früher auch mal bei den All Blacks trainiert hatte, wohne ich in Thun. Mit dem Fahrrad habe ich etwa sieben Minuten bis zum See, was sehr praktisch ist. Neben meiner grossen Leidenschaft für Sport, koche ich sehr gerne und interessiere mich für gesunde Ernährung und wie man damit die Leistung beeinflussen kann. Da ich während des Corona Lockdowns mehr Zeit hatte, konnte ich endlich meine schon länger bestehende Idee verwirklichen: Das Eröffnen eines Accounts auf Instagram wo ich meine Kreationen unter dem Profilnamen @bananna_eats für alle zugänglich mache und auch in der Hoffnung, damit ein Paar Leute zu inspirieren. Roland: Wie bist du zum SUP Sport gekommen? Anna: SUP wollte ich schon immer einmal ausprobieren, seit ich es das erste Mal gesehen habe. Meine Mutter hat mir eine Kursstunde zu meinem 12. Geburtstag geschenkt. Mit der Instruktorin Katrin Gerber von SUP Thun verstand ich mich auf Anhieb sehr gut und es entwickelte sich schon nach einigen Kursstunden eine mittlerweile langjährige Freundschaft. Sie verhalf mir zu meinem ersten Brett und Paddel, den ersten Sponsoren und schlussendlich steckte sie mich auch mit dem Rennfieber an. Roland: Kein Wind und eine flache See, das habe ich gern, wenn ich mal versuche auf einem SUP zu stehen. Du auch? Anna: Wenn ich zwischen welligen und flachen Konditionen wählen kann, bevorzuge ich immer die stürmischen. Grundsätzlich ist mir aber wichtig, einfach Wasser in meiner Nähe zu haben, wie hier der Thunersee. Im Winter ist er häufig spiegelglatt, schön klar und man ist absolut alleine, einfach magisch! Aber auch im Sommer herrschen meistens sogenannte «Laborbedingungen». Eine leichte Brise, keine grossen Wellen und schönes Wetter. Nachdem ich aber an verschiedenen internationalen Wettkämpfen in zum Teil halsbrecherischen Konditionen teilgenommen habe, muss ich sagen, dass es manchmal schon ein wenig langweilig ist, wenn der See einfach flach ist. Mit Wind und Wellen ist es nochmal spannender und es wird nicht nur die pure Leistung abverlangt, sondern auch die Geschicklichkeit und weitere Fähigkeiten. Deshalb bin ich oft direkt nach einem Sommergewitter auf dem See anzutreffen, denn dann ist das Wasser noch richtig in Bewegung und man kann gut mit den kleinen Wellen spielen. Falls es mal Wind auf dem Neuenburgersee gibt, bin ich wenn immer möglich dort, um einen Downwinder zu machen. Das bedeutet, von einem Punkt mit den vom Wind erzeugten Wellen zu einem anderen Punkt zu surfen. Das macht richtig viel Spass! Roland: Was für Fähigkeiten braucht es, um eine gute «SUPlerin» zu werden? Anna: Um Stand Up Paddling wirklich als Rennsport ausführen zu können, braucht man eine gute Grundausdauer, eine gewisse Koordination, Rhythmusgefühl und Ganzkörperspannung. Natürlich nicht zu vergessen, das Gleichgewicht. Wer aber jetzt denkt: SUP ist also kein Sport für mich, denn ich habe absolut keine Balance kann ich erst einmal beruhigen. Man muss nicht von Anfang an das beste Gleichgewicht mitbringen, denn mit ein wenig Übung, Erfahrung und vor allem Wiederholung, kommt die Stabilität auf dem Brett meistens wie von selbst. Ausserdem denken die meisten Leute, SUP sei vor allem anstrengend für die Arme. Dies ist jedoch nicht wirklich der Fall. Ob man nun gemütlich mit Freunden unterwegs ist oder ein Rennen paddelt, der ganze Körpereinsatz ist gefragt. Die Geschwindigkeit ergibt sich durch ein gutes Zusammenspiel zwischen Beinen (vor allem Oberschenkel und Knie, um das Brett nach vorne zu stossen), einer guten Rumpfstabilität um die Ganzkörperspannung zu halten, den Schultern, welche das Paddel nach vorne bringen, der Rückenkraft um es dann ins Wasser zu drücken und zu guter Letzt den Armen, um zu ziehen. Ein wahrhaftiges Ganzkörpertraining also! Dies ist ein Aspekt an meinem Sport, den ich persönlich sehr mag. Aus den verschiedensten Muskelgruppen alles herauszuholen, mit dem ganzen Körper zu arbeiten, um möglichst effizient, aber kraftsparend zu paddeln. Roland: Wie wichtig ist das Material? Anna: Das Material ist wichtig, meiner Meinung nach aber nicht alles. Je nach Sponsor hat man auch mal eine Saison ein eher schnelles Brett, ein anderes Mal ein langsameres. Da der Sport noch sehr jung ist, haben wir immer noch viel Innovation vor uns, weshalb wir auch noch längst nicht an einer Standartnorm angekommen sind. Ausser der Boardlänge ist so gut wie nichts definiert und dem Shape (Form) keine Grenzen gesetzt. Fast so wichtig wie das Brett ist für mich ein gutes Paddel. Dabei gibt es mehr Unterschiede als man denkt. Ein fixes, also nicht verstellbares Paddel aus Carbon, ausgestattet mit der passenden Länge und Blattgrösse ist von Vorteil. Nach eigenen Erfahrungen aber hängt sehr viel davon ab, wer wirklich auf dem Brett steht und welche Fähigkeiten diese Person besitzt. Man kann damit sehr viel beeinflussen, denn gewöhnen tut man sich so oder so an jedes Brett. Roland: Was braucht man sonst noch um auf dem See sicher unterwegs zu sein? Anna: Ich bin praktisch nie ohne Leash und Restube auf dem Wasser anzutreffen. Eine Leash ist eine Leine, welche am Brett und gleichzeitig am eigenen Bein angebracht ist. Sie verbindet einem sozusagen, da das Brett bei Wetterveränderungen oder wenn man ins Wasser fällt schneller weg ist, als man denkt. Eine Restube ist eine Schwimmweste in Miniformat, welche man um die Hüfte bindet, im Notfall an einer Lasche zieht und dann automatisch eine Rettungsboje aufgeblasen wird. Roland: Wie viele Bretter braucht man, um gut für alle Verhältnisse gerüstet zu sein? Anna: Ich paddle im Moment nur ein Brett, welches aber für alle Konditionen geeignet ist. So weiss ich immer genau wie es reagiert und kenne es in- und auswendig. Natürlich gibt es explizit fürs Flachwasser schnellere Bretter, aber im Grunde genommen ist es nie wirklich flach. Schon nur beim Start während eines Rennens gibt es kleine Wellen, welche von den Gegnern erzeugt werden. Es gibt aber natürlich andere Athleten, welche bis zu 5 verschiedene Bretter besitzen. An die Rennen nimmt man üblicherweise aber nur eins bis zwei mit, da das Reisen mit über vier Meter langen Brettern wirklich kein Kinderspiel ist, vor allem im Flugzeug. Roland: Wie sehen die Wettkämpfe aus. Ich nehme an da gibt es auch verschiedene Disziplinen. Gibt es da ein reglementiertes Programm? Anna: Im Prinzip gibt es vier verschiedene Disziplinen, wobei bei allen das Ziel ist, einen vorgegebenen Kurs bestimmter Länge so schnell wie möglich abzupaddeln. Die erste und kürzeste Disziplin ist der Sprint, welcher normalerweise über eine Distanz von 200m geht. Man startet dabei je nach Teilnehmeranzahl in sogenannten «Heats» und hat mehrere Durchläufe, in denen man entweder weiterkommt oder rausfällt. Der aktuell schnellste Sprinter namens Connor Baxter aus Hawaii, brauchte für diese Distanz an der Weltmeisterschaft in China letztes Jahr genau 46.38 Sekunden, wobei er auf eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 15.5 km/h kam. Ich hatte sogar schon einmal die Gelegenheit mit ihm in Montreux zu paddeln. Die zweite Kategorie ist das Technical Race, welche meist über eine Distanz von 3 bis zu 8 km geht. Das Spezielle dabei ist, dass man sehr viele Bojen hat und der Kurs normalerweise mehrere Runden beinhaltet. Man muss also gutes Gleichgewicht und Schnelligkeit mitbringen, aber auch kardiologisch gut trainiert sein, da sehr oft Landgänge eingebracht werden. Bei diesen wird am Ufer oder Strand eine Boje platziert, wobei der Athlet vom Brett springt, mit dem Brett unter dem Arm um die Boje rennt und dann schnellstmöglich wieder aufs Brett zurückkehrt. Besonders spannend zum Zuschauen sind Technical Races in den Wellen. Bei diesen kann bis zur letzten Minute noch alles passieren, da theoretisch sogar der hinterste eine gute Welle erwischen kann, mit ihr bis zur Boje fährt und dann dort den Gegner in letzter Sekunde überholt. Die dritte Disziplin, auch Königsdisziplin ist die Langdistanz über acht bis 20 km. Dort wird die pure Ausdauer und Taktik des Athleten abverlangt. Es hat wenig Bojen und man paddelt oft einfach gerade aus. Die Leistungsdichte ist in dieser Disziplin sehr hoch, es bilden sich oft sogenannte «Draft Trains». Das gleiche findet man auch im Fahrradsport vor, lange Schlangen von Fahrern, welche im Windschatten des Anderen fahren um Kraft und Energie zu sparen. Eher weniger bekannt aber trotzdem recht beliebt sind die Ultradistanz Rennen ab 20km, wobei hier die mentale Stärke eine grosse Rolle spielt. Roland: Wie sieht ein normaler Start eines SUP-Rennens aus und was für Kategorien gibt es? Anna: Alle Athleten stellen sich in einer Linie auf und starten zusammen. Dabei wird je nach Rennen zwischen sitzend, stehend oder sogar vom Land aus gestartet. Roland: Was für Kategorien gibt es? Als Erstes wird immer zwischen Frauen und Männern unterschieden. Mittlerweile gibt es je nach Grösse des Events zusätzlich noch Kategorien für die verschiedene Altersgruppen, wobei aber normalerweise trotzdem alle gemeinsam starten und dann erst im Nachhinein separat gewertet wird. Ausserdem gibt es die Kategorie Kids für die ganz Kleinen und die Junioren für den Nachwuchs unter 18 Jahren. Noch ganz zum Schluss, es wird natürlich auch zusätzlich zwischen harten Brettern und aufblasbaren Brettern (Inflatables) getrennt und gewertet. Fast hätte ich dies noch vergessen... Roland: Wer organisiert die Wettkämpfe und gibt es einen nationalen Verband, Vereine oder wie läuft es bei euch? Anna: In vielen Ländern gibt es Touren mit mehreren Stopps. Hier in der Schweiz zum Beispiel, die SUP Tour Schweiz, welche dieses Jahr 4 Rennen beinhaltet hätte, wäre da nicht Corona dazwischengekommen. Auch international findet man solche Veranstalter, welche in verschiedenen Ländern Wettkämpfe organisieren, so etwa die Euro Tour oder die APP (Association of Paddlesurf Professionals). An solche Events reisen die Profis aber oft auch Amateure aus der ganzen Welt, denn Rennen gibt es für jede Kategorie. Und trotzdem ist der Sport Stand Up Paddling noch nicht sehr bekannt und voll ausgereift. Dementsprechend gibt es eher wenige Vereine, Verbände oder Teams. In jedem Land ist dies aber anders und so werden grosse Unterschiede deutlich. Zum Beispiel hat es in den USA und auch in Spanien viele starke Junioren, wobei ich im Vergleich in der Schweiz an den Rennen leider immer noch praktisch die Einzige weibliche Teilnehmerin meines Alters bin. Roland: Hast du Sponsoren, die dich unterstützen? Anna: Bei dem Paddel werde ich von der bekannten Marke «Quickblade Paddles» aus Kalifornien unterstützt, welche ich privat gut kenne und die gleichen Werte vertrete. Ihr Motto ist «Train hard, go fast, have fun». Diese Saison habe ich mich dafür entschieden, ohne einen Brettsponsor zu fahren, aber für nächstes Jahr werde ich mich wieder einem Team anschliessen. Ausserdem hilft mir Restube (Sicherheitssystem auf dem Wasser) mit den Startgebühren der Rennen. Roland: Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus und machst du noch einen anderen Sport? Anna: Jeden Morgen egal ob Ferien, Schule oder Training ist das Erste was ich nach dem Aufstehen mache, eine gut 15-minütige Kombination aus Yoga und Stretching. Dies hilft mir bei der Erholung, Flexibilität und für mein allgemeines Wohlbefinden und ist mittlerweile fast nicht mehr wegzudenken. In einer Trainingswoche absolviere ich durchschnittlich 6-7 Trainings. Im Sommer trainiere ich etwa 4x pro Woche auf dem Wasser und im Winter sind es dann 1-2 Mal. Neben dem Paddeln kommen weitere verschiedene Aktivitäten hinzu, um das Training ein wenig interessanter und vielfältiger zu gestalten. Im Sommer schwimme ich, im Winter gehe ich so oft wie möglich langlaufen, ich laufe, je nach dem in welcher Trainingsphase ich mich befinde mache ich Krafttraining und in der Freizeit skate, surfe oder windsurfe ich sehr gerne. Also eigentlich bin ich sehr polysportiv orientiert, mache viele verschiedene Sportarten gerne. Schlussendlich ist das Ziel aber bei jedem Sport, dass es mir bei meinem Hauptsport SUP weiterhilft. Roland: Wie sieht es im Winter aus. Auf dem Thunersee ist es dann wahrscheinlich nicht so angenehm. Steht dann nur alternatives Training auf dem Speisezettel? Anna: Für meine ein bis zwei Trainingseinheiten die ich im Winter auf dem Wasser absolviere, trage ich einem Trockenanzug. Dieser ist nicht ganz so eng und schwitzig wie ein Neopren. Ausserdem trage ich Neoprensocken, spezielle Schuhe, Handschuhe und eine Mütze, um mich vor der Kälte zu schützen. Normalerweise falle ich ja nicht ins Wasser, aber trotzdem weiss man nie was passiert. Deshalb ist es wirklich wichtig, sich im Winter richtig zu kleiden. Gerade während dem Training ist die Herzfrequenz sehr hoch und selbst wenn ich als geübte Paddlerin ins Wasser fallen würde, wäre das Risiko auf einen Kälteschock ohne passende Ausrüstung gross. Die restlichen Trainingseinheiten im Winter absolviere ich so oft wie möglich auf der Langlaufloipe, im Schwimmbad, beim Krafttraining oder mit den All Blacks im Lauftraining. Roland: Was bringt dir der Laufsport für’s Stand Up Paddeln? Anna: Für mich ist der Laufsport perfekt, um meine Ausdauer zu trainieren. Vor allem im Winter, wenn ich weniger Zeit auf dem Wasser verbringe, ist es eine gute Alternative um eine solide Grundausdauer anzutrainieren. Ausserdem beinhaltet normales Training oft auch Laufeinheiten, um einer allfälligen Überbelastung durch zu vieles Paddeln vorzubeugen und die ermüdeten Arme ein wenig zu erholen, weiterhin aber zu trainieren. Roland: Wie bist du zu den All Blacks gestossen? Anna: Ich bin schon immer gerne gerannt und da ich praktisch alle meine Trainings alleine absolviere, machte ich mich eines Tages auf dem Internet über Laufgruppen in Thun schlau. So wäre für einmal nicht nur meine Garmin Sportuhr mein einziger Trainingspartner. Ich sah das Angebot der All Blacks, einen kostenlosen Schnuppermonat absolvieren zu können und meldete mich sofort dafür an. Bis jetzt habe ich es noch nie bereut ;-) Roland: Bei welchen Trainings machst du normalerweise mit? Anna: Im Winter bin ich eigentlich jeden Mittwochabend beim Strassenlauf, Bahn und Nachwuchstraining dabei. Im Sommer, wenn ich dann wieder öfters auf dem Wasser trainiere, kommt dies eher selten vor, aber ich versuche immer wieder auch mal ein Bahntraining mit den Anderen zu absolvieren. Ausserdem liebe ich es in meiner Freizeit Trailrunning zu machen, weshalb die Berglauftrainings wie für mich geschaffen sind. Ich war schon bei diversen Touren dabei, unter anderem dem Jubiläumslauf aufs Schilthorn diesen August, welcher sehr viel Spass gemacht hatte! Roland: Kannst du uns etwas über deine liebsten Wettkämpfe und deine besten Resultate verraten? Anna: Sehr gerne! Seit dem Jahr 2016 bin ich nun vier Mal in Folge Schweizermeisterin. Das erste Mal noch bei den Kids und später dann immer in der Frauenkategorie, da es bis jetzt leider nur wenig Jugendliche hier in der Schweiz hat. Diese Titel gehören sicher zu meinen besten Erfolgen. Im 2018 hatte ich die Gelegenheit am grössten Rennen des Sports teilzunehmen, den PPG’s (Pacific Paddle Games) welche in Kalifornien in den USA stattfanden. Ich war sehr aufgeregt, denn es war eines meiner ersten grossen Rennen in den Wellen und zusätzlich waren ALLE Profis vor Ort. Ich bin also praktisch mit meinen Vorbildern auf der Startlinie gestanden. Der Event bestand aus zwei Rennen. Beim Technical Race konnte ich den ersten Platz in meiner Kategorie erpaddeln. Manchmal kann ich es jetzt noch kaum glauben, wie ich dies damals geschafft habe und deshalb bin ich natürlich umso mehr Stolz auf diesen Titel! In der Schweiz habe ich schon einige Male die Gesamtjahreswertung bei den Frauen gewonnen, was mir persönlich aber nicht so viel bedeutet, wie andere Wettkämpfe, die ich sonst bestritten und auch gewonnen habe. Meine Lieblingsrennen waren an der Costa Blanca in Spanien, in den USA und in San Sebastian. Alles sehr schöne Orte und die Events sind gut organisiert. Ausserdem hat es dort herausfordernde, wellige Konditionen, so wie ich es gerne mag. Roland: Wie stark warst du eingeschränkt in diesem Jahr im Training und bei den Wettkämpfen wegen Corona? Anna: Da man ja im Winter noch nichts von Corona wusste, habe mich wie immer normal auf die Saison vorbereitet, welche von Mitte April bis Ende September dauert. Auch das Trainingslager in Fuerteventura im Februar konnte ich noch erfolgreich absolvieren. Eine Woche später, als wir wieder Zuhause waren, wurden aber schon sämtliche Flugverbindungen unterbrochen und Corona kam langsam nach Europa. Natürlich ahnten wir alle noch nicht, welche Auswirkungen diese Pandemie auf unseren Sport aber auch die ganze Welt haben wird. Laufend wurden Rennen verschoben und dann schlussendlich doch abgesagt, was das Planen der Saison nicht gerade vereinfachte. Einfach aufhören zu trainieren, nachdem man sich über fünf Monate lang vorbereitet hat, kam nicht in Frage. Die Hoffnung, dass die Rennen einfach im Herbst ausgetragen werden, brachte einem die Motivation, um auch weiterhin im Training Vollgas zu geben. Im jetzigen Stand sieht es aber leider nicht mehr gross nach internationalen Wettkämpfen aus in diesem Jahr. In der Schweiz gibt es sicher noch ein paar kleinere Events, aber es ist nicht ganz zu vergleichen mit der Stimmung an den internationalen Wettkämpfen. Glücklicherweise konnte ich doch immerhin bis jetzt an zwei Rennen in Frankreich und an einem Rennen in der Schweiz teilnehmen. Roland: Was läuft noch dieses Jahr und was planst du schon für die kommenden Jahre? Anna: Dieses Jahr ist anders, so viel ist klar. Ich habe gemerkt, dass es nichts bringt gross vorauszuplanen und bereite mich deshalb nicht spezifisch auf einen internationalen Event vor, trainiere aber weiterhin für die noch verbleibenden Rennen innerhalb der Schweiz. Ich habe durch die freien Wochenenden viele tolle alternative Challenges absolviert. Wie zum Beispiel eine erweiterte Seeumrundung mit dem Bike, zahllose Stunden Trailrunning in den Bergen oder den täglichen Schwumm im See. Mein Ziel in den kommenden Jahren ist einfach weiterhin so viel Spass am Sport zu haben und Vollgas zu geben, egal was kommt. Ich freue mich darauf, wenn ich an der Startlinie mit vielen anderen internationalen Athleten stehen kann und das Adrenalin während des Rennens spüre. Ein grosses Dankeschön an Roland, welcher mich gefragt hat ob ich Lust hätte dieses Interview zu schreiben und so sportinteressierten Leuten den eher unbekannten Sport SUP näherbringen zu können.
Auch Ihnen liebe Leser, herzlichen Dank fürs lesen! Anna Tschirky ![]() Artikel aus dem All Blacks Thun Vereinsmagazin "Schwarz auf Weiss" Streben wir nicht alle nach Zielen? Private Ziele, berufliche Ziele oder eben sportliche Ziele? Das Erreichen eines Zieles befriedigt uns kurzfristig, denn noch während des Erreichens eines solchen oder spätestens kurz danach verfasst der Mensch neue Ziele. Ausruhen gibt es nicht, wir brauchen den Antrieb und die Motivation durch die Zielsetzung. Bei der Art der Zielsetzung unterscheiden sich die Menschen jedoch grundlegend. Meine ist geprägt durch Entdeckungsfreude, Abenteuer und Herausforderung gemäss dem Motto «immer weiter, immer höher, immer härter». Meinen ersten richtigen Trail-Wettkampf bestritt ich am Swisspeaks Trail im Chablais-Gebiet südlich des Genfersees. Doch es waren nicht die 45 Kilometer Auf und Ab auf schmalen Pfaden bei garstigem Regenwetter, welche auf mich einen nachhaltigen Eindruck hinterliessen. Der prägende Moment kam einige Stunden später, frisch geduscht im Zielgelände, als die zwei Führenden des 170 Kilometerlaufs nach 28 Stunden Nonstop-Trail bei widrigen Wetterbedingungen Hand in Hand gemeinsam ins Ziel liefen. Genau dort habe ich realisiert, Ultratrailrunning ist kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander und ein Gegen-sich-selbst. Ein Jahr später zog es mich wiederum an die Geburtsstätte meiner neuen Leidenschaft Ultratrailrunning. Diesmal standen 90 Kilometer auf dem Programm. Distanz also verdoppelt, aber noch lange nicht am Maximum angelangt. Denn 2018 standen zum ersten Mal auch die 360 Kilometer im Programm des Veranstalters, einmal durch das ganze Wallis, vom Fusse des Furkapasses in Oberwald bis an den Genfersee in Le Bouveret. Mein Fernziel war gesetzt. Doch noch mussten Langstreckenerfahrungen, Trainingsvolumen, mentale Stärke und der absolute Wille erhöht werden, um nicht nur Teilnehmer, sondern auch Finisher dieser Laufveranstaltung zu werden. Nach einer weiteren langen und befriedigenden Saison sah ich mich Ende 2019 bereit, das Abenteuer 360 Kilometer in der Folgesaison 2020 anzugehen. Mit der Anmeldung war der erste Schritt getan. Nun kam die Vorbereitung. Wie bereitet man sich auf solch ein Rennen vor? Bereits kleinste Faktoren können auf diese Distanz über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Daher ist es entscheidend, sich auch entsprechend professionell vorzubereiten. Die Vorbereitung hinsichtlich des Materials, der mentalen Faktoren, der Organisation und des eigenen Zustandes bei Rennstart bedingen einen gewissen Zeitaufwand, sind aber mehr oder weniger zeitlich limitiert. Eine optimale Vorbereitung dieser Faktoren ist unabdingbar. Die Mehrheit des Trainingsaufwandes hängt jedoch vor allem von den «Ultra»-, «Gebirgs»- und konditionellen Faktoren ab, welche zwar alle auf Grundvoraussetzungen aufbauen, deren Verbesserung aber einen hohen Zeitaufwand erfordern. Der grösste Teil meiner Vorbereitung bestand aus Trailläufen in gebirgiger Umgebung. Meinen Bezugspersonen, der Arbeit und meiner «Bequemlichkeit» wegen aber vornehmlich tagsüber bei schönem Wetter. Ich litt in der Vorbereitungsphase nie unter extremem Schlafmangel, musste mich aufgrund der Tourenlänge unterwegs nie speziell ernähren, habe meine Leidensfähigkeit nur bedingt getestet und lief praktisch nie im Dunkeln. Diesbezüglich war meine Vorbereitung nicht ideal. Doch ich war auch bereit, mich in gewisser Weise auf ein Abenteuer einzulassen. Wichtiger war mir, Höhenmeter zu sammeln, Beinmuskulatur aufzubauen, meine Beweglichkeit zu erhöhen und ganz allgemein meine Fitness auf ein nie zuvor erreichtes Level zu hieven, um auch nach tagelanger Anstrengung noch die Kraft und den Willen aufbringen zu können, die letzten Steigungen zu meistern. Corona brachte eine gewisse Ungewissheit mit sich. Nicht nur bei mir, sondern vor allem bei den Veranstaltern, welche die finanziellen und gesundheitlichen Risiken mit ihrem Entscheid mitverantworten mussten. Die getroffene Entscheidung, den Lauf aufgrund der verkürzten Trainingszeit aller internationalen Teilnehmenden, welche wegen den Einschränkungen, teils sogar Ausgangssperren, nicht optimal trainieren konnten und dem damaligen Grossveranstaltungsverbot bis Ende August zu kürzen, fand ich zuerst schade. Die Alternative hörte sich jedoch gut an: Mitternächtlicher Start zum Septemberbeginn bei Vollmond am Aletschgletscher und mit 314,2 Kilometern und 22'886 positiven Höhenmetern blieb die Herausforderung definitiv bestehen. Mit dem Wissen, dass das Rennen durchgeführt werden wird, erhöhten sich sowohl meine Motivation und abhängig davon auch mein Trainingsvolumen. Ganz egal wie das Rennen ausgehen würde, durch diese Zielsetzung erlebte ich sagenhaft schöne Vorbereitungstouren und befand mich in einer nie zuvor erreichten körperlichen Verfassung. Alle Startenden haben als Grundmotiv das Erreichen des Ziels. Sich jederzeit, in der Vorbereitung, beim Start und während des Rennens, bewusst zu sein, dieses Grundziel erreichen zu können, sah ich als elementare Voraussetzung. Gedanken ans Aufgeben oder Zweifel über das Erreichen des Zieles gab es nie. Darüber hinaus nahm ich mir vor, das Rennen auch als Abenteuer zu sehen und egal was passieren sollte, stets Freude zu haben. Über meine inneren Beweggründe, weshalb ich mir dies antun soll bzw. antat, war ich stets im Klaren. Dies ermöglicht das Inkaufnehmen von Schmerzen und Tiefpunkten. Der Preis dafür ist riesig, dafür bin ich lange genug im Business, um dies bereits im Voraus zu wissen. Insgeheim heckt man sich auch einen Zeit- bzw. Rennplan aus. Wo und wie lange schläft man, wie lange rechnet man von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation bzw. von «Base de vie» zu «Base de vie» und wann gedenkt man, das Ziel zu erreichen. Diesen Plan sah ich jedoch eher als grobe Vorgabe, wollte ich mich doch je nach Verfassung auch spontan während des Wettkampfes entscheiden, ob zum Beispiel geschlafen wird oder nicht, ob Kleider-/Schuhwechsel nötig sei oder wie schnell ich gewisse Abschnitte laufen muss bzw. kann. Schlussendlich wollte ich mich auch nicht an der Zeit, sondern am Ziel des Finishens messen. Montag (D-1): Eigentlich wäre der Schlaf vor dem Ereignis besonders wichtig. Doch eine gewisse Nervosität hält einem meist genau davon ab. So auch bei mir. Nun gilt es am Vormittag, das bereitgelegte Material nochmals mit der Materialliste zu prüfen, letzte Feinabstimmungen zu treffen, viel zu liegen, alles was einem noch beschäftigt zu erledigen und gut zu Mittag zu essen. Anschliessend geht es hoch zum Startgelände auf der Bettmeralp. Am Bahnhof Brig erkenne ich die ersten Gleichgesinnten. Taschen vom «Tor des Géants», Material vom «UTMB», Finisher-Shirts von sonstigen krassen Ultrarennen, Begleitungsteams. Ich fühle mich wie ein Greenhorn, was ich ja auch bin. Nun hole ich die Startnummer und die Läufertasche ab, welche anschliessend von «Base de vie» zu «Base de vie» transportiert werden würde, lasse mein GPS auf den Läuferrucksack montieren, sammele erste Eindrücke, werde erinnert, dass das «Grosse Kälte Kit» im Läuferrucksack sein müsse, da es nachts teils Minusgrade geben könnte und bis zu 40 cm Neuschnee auf der Route lägen und ging mich anschliessend im Hotelzimmer meiner Eltern ausruhen. 30 Minuten vor dem Start das Briefing: Markierungen, Wetter, Notfallsituationen, Respekt gegenüber der Umwelt, COVID-Regeln, etc. Wir Läuferinnen und Läufer bereits in Startposition, Lampen an, Video mit Impressionen der letzten Jahre wird gezeigt, Countdown wird runtergezählt, los geht’s. Dienstag (D1): Die Lichterkette setzt sich in Bewegung. Gerne laufe ich zu Beginn unmittelbar hinter jemandem, da brauche ich mich um die Orientierung nicht zu sorgen. Auch nach zwei Stunden Laufzeit bei der Rhonentalquerung in Brig ist es noch eher gedrängt. Ich geselle mich einer starken Gruppe an, um gemeinsam die Nanzlücke oberhalb des Simplonpasses zu überwinden. Dort oben herrschen Minustemperaturen, es liegt Schnee und der Nebel lässt einem trotz Stirnlampe kaum noch was sehen. Jene aus meiner Gruppe, welche bereits an dieser ersten Steigung das Tempo forcieren, erreichten das Ziel schlussendlich nicht. Geduld war angesagt, zum Zeitgutmachen, würde es noch viele Möglichkeiten geben. Am frühen Vormittag erreiche ich das erste «Base de vie» in Eisten. Lampe aufladen, Essen, Kleidung und Schuhe wechseln, den bereits angeschlagenen Körper aufpäppeln und weiter gehts. Zwei Stunden später dann die erste Krise: Am Augustbordpass laufe ich in einen Hungerrast. Bisher habe ich mir zu wenig Zeit genommen, um mich entsprechend zu verpflegen. Gut kann ich bei einer Verpflegungsstation zwei Portionen mayohaltigen Kartoffelsalat zu mir nehmen. Anschliessend geht es mir wiederum wunderbar und ich laufe in gutem Tempo die ersten 100 km zu Ende hin zum «Base de vie» in Grimentz. Heiss duschen, ohne Znacht ins Bett, zweieinhalb Stunden liegen (leider ohne Schlaf), kurz vor Mitternacht aufstehen, Pasta «frühstücken» und Tasche abgeben. Mittwoch (D2): Um 20 Minuten nach Mitternacht begebe ich mich wiederum auf den Weg. Der Tag ist geprägt von harten Auf- und Abstiegen, welche ich je nach Verfassung unterschiedlich gut zurücklegen konnte. Ich laufe komplett alleine, sehe praktisch keine anderen Läuferinnen und Läufer. Gegen Mittag erreiche ich dann bereits die «Halbzeit», das «Base de vie» bei der Grande Dixence. Ein wenig müde, habe ich doch auch nach 150 km noch nicht geschlafen, lege ich mich 45 Minuten auf ein Sofa, auf welchem ich auch eindöse. Mein Fahrplan stimmt hervorragend, ich fühle mich wohl, alles läuft prima, also geht es kurz nach dem Powernap auch gleich wieder weiter. Doch nun musste mit dem Col de Prafleuri der höchste Punkt bezwungen werden, gefolgt von Passagen in technisch schwierigem Gelände. Mein Körper verhält sich nicht mehr wie gewohnt, das Gleichgewicht zu halten wird immer schwieriger und so stürze ich in einem Geröllfeld schlussendlich auch. Arm aufgeschürft. Egal, weiter. Trotzdem nimmt mir dieser Zwischenfall ein wenig den Wind aus den Segeln. Am nächsten Aufstieg zur Cabane de Mille muss ich erstmals das GPS konsultieren, lediglich um zu prüfen, wie lange ich mich noch quälen müsse. Doch viel schlimmer als der Aufstieg war der anschliessende Abstieg. Donnerstag (D3) Abgesehen von der gut stündigen Pause am vortägigen Mittag war ich bereits wieder seit über 24 Stunden non stop unterwegs. Die Steilheit des Weges lässt meine Knie schmerzen, ich muss erstmals einfache Downhill-Passagen gehen. Anderen geht es nicht anders und schon bald sind wir ein illustres Dreiergrüppchen, welches sich Richtung «Base de vie» in Arpette schleppt. Dies ist bereits die dritte Nacht in Folge ohne richtigen Schlaf, die Müdigkeit wird extrem. Bäume werden zu Häusern, Gebüsche zu Autos, Geländer zu Personengruppen, ich habe Halluzinationen. Um 5 Uhr endlich die Schlafmöglichkeit. Ohne Dusche direkt in den Schlafsack. Diese dreieinhalbstunden Schlaf wirken Wunder. Ich fühle mich wiederum bereit, nun die längste Teilstrecke in Angriff zu nehmen. Mit dem Fenêtre d’Arpette, dem Col de Fenestral und dem Col d’Emaney stehen harte und technisch schwierige Hindernisse im Weg. Diese rauben nun Zeit und leider stürze ich im am Col de Fenestral nochmals, was einen stechenden Schmerz im Beckenbereich verursacht. So entscheide ich mich, bereits zwölf Stunden nach der letzten Nächtigung nochmals mittels Schlaf Energie zu tanken. Nach eineinhalb Stunden geht es jedoch bereits wieder weiter. Doch schon bald der nächste Schock: Mein Licht geht allmählich aus und es ist noch nicht einmal Mitternacht. Freitag (D4):
Im letzten «Base de vie» lief der Strom nicht, meine Powerbank war leer und ich habe nur zwei von drei Lampen im Läuferrucksack. Gut, ich reduziere das Tempo, laufe im schwachen Licht, nutze den Mondschein und trotzdem muss ich in Barne kapitulieren, zu viel Zeit verliere ich deswegen. Dies bedeutet, zweieinhalb Stunden aufgebrummte Pause bis zum Tagesanfang. Leider ist es weder im Zelt noch im Haus der Verpflegungsstation geheizt, so dass ich zwar liegen kann, dabei jedoch trotz zig Kleidungsschichten fast erfriere. Kurz nach 6 Uhr kann ich endlich wieder starten. Meine Läuferkollegen, welche mich während den letzten Stunden angetrieben haben, waren nun fort. Ich muss die letzten 70 Kilometer nun alleine laufen. Weitere grössere Pausen habe ich mir von nun an aber untersagt, da ich meinen Lauf gerne innerhalb von vier Tagen finishen würde. Bald erreiche ich das letzte «Base de vie» in Crosets. Kurz essen, aufgrund der nun wärmeren Wetterlage einige Kleider verstauen und meine Lampe so gut wie möglich aufladen. Weiter geht es. Langsam beginne ich, die Kilometer hinunterzuzählen. Während des gesamten Laufes hatte ich stets Zwischenziele, teils Berge, teils Täler, teils Verpflegungsstationen. Doch jetzt ist das Ziel in Griffweite. Dies motiviert nochmals zusätzlich. Doch mein Körper leidet auch immer stärker an den Strapazen der bisherigen Tour. 30 Kilometer vor dem Ziel pflege und pflastere ich nochmals alle blutigen Zehen, meine Knien erlauben in steinigem Gelände keine schnellen Downhills mehr und von meinem zweiten Sturz habe ich ein Andenken erhalten, welches mir die Beinbeweglichkeit auf der linken Körperseite stark einschränkt. Nichtsdestotrotz vergehen mit den Stunden auch die Kilometer und kurz nach 22:30 Uhr am Freitagabend erreicht ich in Bouveret das Ziel. Geschafft. Ich bin ein Finisher dieses geilen Laufes. Umarmung mit meiner Frau, kurzes Zielinterview und dann endlich absitzen und nichts machen. Mein Körper realisiert auch, dass jetzt fertig ist und bald ist vom Kämpfer der letzten Stunde nichts mehr übriggeblieben. Unterkühlt, übermüdet und erschöpft werde ich ins Hotel gebracht. Ich spreche wirre Sachen, mein Kopf funktioniert nur noch bedingt. Samstag: Der Schlaf tut extrem gut. Muskulär habe ich überhaupt keine Probleme. Erstaunt wie gut es mir bereits wieder geht, fahren wir nach Hause. Immer wieder schlafe ich tagsüber ein. Appetit habe ich grossen. Meine Knie und Zehen schmerzen noch stark, doch sonst fühle ich mich körperlich bereits wieder fit. Sonntag: Erneut begebe ich mich nach Le Bouveret in den Zielbereich. Nach der Siegesehrung der schnellsten Läuferinnen (Siegeszeit: 85h 11min) und Läufer (Siegeszeit: 62h 46min) werden alle Finisher namentlich aufgerufen. Da stehen nun 142 Personen, alle eingekleidet mit dem Finishergeschenk und der wohlverdienten Medaille und singen zusammen das Lied des Läufers Philippe Genevaux. Gänsehaut. Fazit: Diese Reise wird mich noch lange prägen. Meine Limiten wurden verschoben, mein Stolz wird für immer währen und mein Leben wurde um ein Abenteuer reicher. Es hat sich gelohnt. Ausschlafen, soziale Kontakte, Zeit zu Hause, dies alles war in der letzten Zeit oft zu kurz gekommen. Der Preis des Finishens hat dies alles kompensiert. Obwohl ich mit meiner Leistung hoch zufrieden bin, analysiere ich trotzdem gerne und frage mich, wie die Sieger um über 30 Stunden schneller sein konnten. Die körperliche Verfassung wird nicht wegzudiskutieren sein. Doch was sonst? Bei einer erneuten Teilnahme würde ich mein Schlafkonzept überdenken. Nur noch dort länger Pause machen, wo es einem auch möglich ist, zu schlafen, sehe ich als zentralen Verbesserungspunkt. Dies bedingt vielleicht gar, dass jemand einem stets begleiten müsste, denn bei den Siegern waren Schlafsack, Kissen, Auflademöglichkeiten und jegliche Art von Nahrung bei allen Verpflegungsstationen vorhanden. Dies erlaubt eine gewisse Art von Flexibilität. Des Weiteren dürften mir solche Anfängerfehler wie das Ausgehen des Lichtes nicht noch einmal passieren. Auch müsste ich mir überlegen, die Stöcke bereits zu Beginn für die Downhills einzusetzen, um die Knie möglichst gut zu schonen. Aus Erfahrungen kann man immer lernen, doch schlussendlich wird jedes weitere Rennen seine eigene Geschichte schreiben. Für das nächste grosse Projekt habe ich mich bereits im Dezember 2019 «angemeldet». Bei der Erscheinung des Klubheftes wird es das Licht der Welt bereits erblickt haben. Meine Prioritäten werden vorerst ein wenig ändern, dem Ultratrailrunning will ich aber nicht von der Seite weichen. Zu viele lange, harte, schöne Läufe warten noch auf mich… Michael Burkhalter |
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Februar 2022
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