Der Blog rund um All Blacks Thun...
- Joelle Hänni & Roland Riedener, alle Bilder von Joelle Hänni - Erst seit 2022 in unserem Verein und schon ein Trainingslager in Kenia besucht? Das muss ja ein Profi sein, der, oder besser die unserem Verein beigetreten ist! Schon ein bisschen krass, da fragen wir mal nach. Joelle: Ja, einen Beruf habe ich, ich arbeite als Fachfrau Betreuung Kind in einer Kita in Thun und bin auch Lehrlingsbetreuerin. In Kenia giltst du als Musungu! (eine Person europäischer Herkunft oder eben eine weisse Frau) Joelle: Ja, eine aus Heimberg, da bin ich aufgewachsen. Schon immer machte ich gerne Sport, besonders das Laufen hat mir immer sehr gefallen. Neben Ausbildung, Musik-, Gesangs- und Klavierstunden blieb mir zeitweise nicht mehr so viel Zeit. Seit ich aber aus der Lehre bin, mache ich sehr gerne mehr Sport und das vor allem im Team, in einer Gruppe. Meine neue Freiheit habe ich aber auch für das Reisen genutzt. Neben einem Sprachaufenthalt besuchte ich mit einer Gruppe von Freunden auch verschiedene Unterstützungsprogramme für Kinder im Ausland. Ich war zum Beispiel einen Monat in Südafrika und lernte dort ein Projekt kennen, das in den Townships aktiv ist. In Äthiopien war es ein Projekt, das alleinerziehende Mütter unterstützt, die aufgrund ihrer Armut Hilfe brauchen; im Libanon arbeitete ich mit Flüchtlingsfamilien aus Syrien zusammen. Mit Grossen und Kleinen hatte ich auch bei einem 3-monatigen Einsatz im Strandbad Thun zu tun. Als ich vom Reisen zurückkam und wieder in der gleichen Kita zu arbeiten begann, wo ich schon meine Ausbildung absolviert hatte, hörte ich von den «All Blacks» durch den Vater eines Kindes in der Kita. Er hat mir diesen Verein empfohlen. Da besuchte ich ein Training, und es hat mir sehr gefallen, sofort habe ich mich wohl gefühlt. Wir sind ein paar junge coole Frauen, vom Alter und vom Leistungsniveau her ähnlich, es harmoniert einfach. Seither gehe ich am Montag ins Krafttraining bei Res Ryser und Anina Zangger in der Strättlighalle oder im Sommer im Lachenstadion, und am Mittwoch ins Bahntraining oder auf einen Dauerlauf, auch ab dem Lachenstadion. Manchmal gehe ich auch alleine laufen oder treffe mich mit meinen Trainingskolleginnen der «All Blacks» für zusätzliche Laufeinheiten oder sonstige sportliche Aktivitäten. Wie kamst du dazu, die Tage um den Jahreswechsel 2022 / 2023 in Kaptagat in Kenia zu verbringen? Sicher hat geholfen, dass ich durch verschiedene Reisen sowieso schon eine Leidenschaft für Afrika entwickelt hatte. Dann ist da noch mein Onkel, selber ein ambitionierter Hobbysportler und manchmal auch ein bisschen mein Trainer. Er besucht immer wieder mal dieses Läufercamp in Kaptagat, zum Trainieren und um im Betrieb mitzuhelfen. Wie muss man sich Kaptagat und das Camp vorstellen? Kaptagat ist nicht eine Stadt, wie man sich vorstellt, sondern ein hügeliges, ländliches Gebiet mit einer charakteristisch rot-braunen, sandigen Erde. In der Nähe gibt es auch einen wunderschönen Pinienwald. Es liegt in der Provinz Rift Valley im Osten von Kenia auf einer Höhe von 2400 Metern und hat ein kühles, gemässigtes Klima. Die grossartigen Möglichkeiten zum Laufen haben einige der weltbesten Langstreckenläufer hervorgebracht. Es gibt unzählige Trainingscamps. Nur etwa 20 km weg befindet sich Eldoret, und auch Iten liegt nur in etwa 50 km Entfernung. Das sind die beiden eigentlichen Läuferhochburgen in Kenia. Aber auch in Kaptagat ist es unerhört eindrücklich, am Morgen früh in den Wäldern zu trainieren. Fortwährend rauschen Läufergruppen an dir vorbei, fast alle sind Spitzenathleten. Das Camp, wo ich war, heisst «Complete Sports Athletics Training Centre». Alles in allem wohnen und trainieren hier etwa 60 AthletInnen und ein Staff von etwa 15 Leuten. Es wurde 2012 eröffnet und besteht momentan aus zwei Häusern, ein drittes ist im Bau. Es soll später auch als Athletenhotel dienen, damit die Camp-Bewohner Gelegenheit haben, mit internationalen Athleten Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen. Fast alle Leute hier in Kaptagat, auch die Läufer, sind ebenfalls Kleinbauern. So ist das Camp eigentlich auch ein Bauernhof, wo man Nahrungsmittel anpflanzt und Tiere hält. Ein Koch ist angestellt, er hat das mit der einfachen, ortsüblichen Verpflegung voll im Griff. Die Milch wird vom Nachbarsjungen mit seinem Velo geliefert. Hier habe ich auch gelernt, mein erstes Huhn selber zu schlachten. Das Ziel des Camps ist, jungen, ambitionierten AthletInnen zu helfen, ihr Potential zu entwickeln, ihnen durch den Laufsport eine Perspektive zu geben. An den Sporttagen der Highschools oder an den Crossläufen werden AthletInnen mit Potenzial ausgemacht und ins Camp eingeladen. Das wird immer wahrgenommen, ergibt sich dadurch doch die Chance zu einem besseren Leben und zu einem geregelten Alltag. Sie lernen, für sich Verantwortung zu übernehmen und mit der notwendigen Disziplin zu leben, um erfolgreich zu werden. Mancher kommt ins Camp ohne Schuhe oder sonstige Laufausrüstung. Das ändert dann, man bekommt richtiges Essen, Coaching und Ausrüstung. Es herrscht aber auch ein strikter Tagesplan, man muss zur Zeit bereit sein für die Trainings, für das Essen usw. Ein normaler Tag startet um 5.40 Uhr, man macht sich bereit für das Training. Um 6 Uhr geht es los. Man rennt für vielleicht 20 km, nimmt eine Dusche und geniesst das Frühstück, Brot und, was so ihr Energy Drink ist: Schwarztee mit Zucker und Milch, das trinken sie dauernd. Um 10 Uhr gibt es das zweite Training: eher Tempotrainings mit Intervallen oder ähnliche Formen. Dann am Nachmittag um 15 Uhr noch eine dritte Einheit mit z. B. Schnelligkeit, Kraft und Koordination. Dazwischen heisst es relaxen, vielleicht ein bisschen schlafen oder sich eine Massage gönnen. Es gibt am Tag drei Mahlzeiten, die man gemeinsam einnimmt. Im Camp gibt es zwar unterschiedliche Leistungsgruppen, jedoch wird im täglichen Leben kein Unterschied gemacht. Die Atmosphäre ist sehr kollegial, und alle werden gleichbehandelt. Man weiss wieso man hier ist, motiviert sich gegenseitig, nutzt die freie Zeit, um Körper und Geist zu regenerieren und achtet auf viel Erholung und Schlaf. Auch ich kam richtig zur Ruhe dort. Man ist so geerdet durch dieses einfache Leben. Man pflanzt sein Essen selber an, erntet es und lebt davon. Abwaschen tut man an einem Brunnen neben den Kühen, alles ist so einfach, die Resten bekommen direkt die Tiere. Da hast du auch an den Trainings teilgenommen? Ja, aber in einem Umfang und in einer Intensität, die mir entspricht. Einige der Coaches sind Spitzenathleten, mit ihnen kann man sich auch gut auf Englisch verständigen. Sie sind manchmal mit mir hinter dem Pulk hergerannt, haben mich beobachtet und mir wertvolle Tipps gegeben. Vielfach ist mein Onkel den Läufern mit dem Truck hinterhergefahren. Wenn ich dann genug hatte, setzte ich mich hinten drauf. Es ist dann schon sehr, sehr eindrücklich, den Läufern zu folgen, so mit 20 km/h! Das Camp kann auf nationaler Ebene schon viele sportliche Erfolge vorweisen z. B. an den kenianischen Meisterschaften und auch auf internationaler Ebene. Noah Kipkemboi zum Beispiel, er war einer der Tempomacher beim «sub 2 hours»-Marathon von Eliud Kipchoge in Italien im Jahr 2017. Eliud selber trainiert im Global Camp nur etwa 1 km vom Complete Sports Camp entfernt. Nicht wenige schaffen es, nach der Ausbildung vom Sport leben zu können. Schon viele haben den Halbmarathon unter 1 Stunde absolviert. Einige der ehemaligen Athleten trainieren heute im Global Camp mit Eliud Kipchoge.
Kürzlich ist das Camp vom kenianischen Laufverband anerkannt worden, will heissen, jetzt bekommen sie auch finanzielle Unterstützung durch den Staat. Ansonsten ist das Projekt als gemeinnütziger Verein organisiert und lebt von Spenden. Was nimmst du mit nach Hause? Es sind einmal die rot-braun gefärbten Laufschuhe. Erst putzte ich diese noch nach den Läufen, aber das habe ich dann bald aufgegeben! Dann ist es die Erfahrung, wie man aus einfachsten Verhältnissen heraus mit Motivation und Willenskraft solche Spitzenleistungen erbringen kann. Es war ein interessanter Einblick in die Welt des Lauf-Spitzensports. Ich lernte auch, wie wichtig es ist, zur inneren Ruhe zu finden. Natürlich kann ich mich wegen ein paar Trainings läuferisch jetzt nicht gross verbessern, aber es war das Abenteuer und die Erfahrung, das mich begeistert hat. Vor allem hat mich beeindruckt, wie die AthletInnen alles geben und unglaublich hart trainieren. Wie kompliziert ist die Reise auf Kaptagat, und wie ist das mit der Verständigung und dem Essen? Weil ich schon zuvor in Afrika unterwegs war, hatte ich bereits einige Impfungen. Für Kenia machte ich noch die Gelbfieberimpfung und nahm während meines Aufenthalts in Kaptagat Malaria-Prophylaxe. Das war zwar nicht zwingend, weil es auf 2400 m ü. M. nicht mehr viele Moskitos gibt. Zu erreichen ist das Camp mit einem Flug auf Nairobi, gefolgt von einem Inlandflug auf Eldoret und einer 1-stündigen Autofahrt auf Kaptagat. Mit dem Auto ab Nairobi ginge es etwa 6 Std., aber immerhin auf geteerten Strassen. Die Leute mit besserer Schulbildung reden etwas Englisch, ansonsten ist die Umgangssprache Suhaeli. Davon kann ich auch einige Worte. Wenn nötig traf man sich in der Mitte und hilft einander. Das Camp hat zwar eigenes Wasser, trinken durfte ich aber nur Mineralwasser aus der Flasche. Das einfache, natürliche, lokale Essen im Camp kann man gut zu sich nehmen. Besonders Ugali, eine typisch kenianische Mahlzeit – aus Maisgriess und Wasser hergestellt und mit verschiedenen Beilagen wie Gemüse und Fleisch serviert – wird täglich gegessen. Ugali ist sehr nahrhaft und energiereich und ist deshalb eine beliebte Mahlzeit für Sportler und Arbeiter. Als weisse Frau ist man im ländlichen Kaptagat, ausserhalb des Camps, schon etwas Spezielles, eben eine «Musungu» wie eingangs erwähnt. Nicht, dass ich jetzt vor Kriminalität Angst gehabt hätte, aber man wird gut beobachtet und häufig angesprochen. Die Männer sehen in einem die Möglichkeit eines Tickets für Europa oder Amerika, auf Geld und auf ein besseres Leben. Man kann es verstehen. In Eldoret, einer Stadt mit fast einer halben Million Einwohner, ist das schon anders, da ginge ich jetzt wahrscheinlich auch alleine einkaufen. Durch die Beziehungen meines Onkels konnte ich auch einen Pickup benutzen. Es herrscht Linksverkehr in Kenia, und das Autofahren auf den rot-braunen sandigen Strassen war für mich ein Abenteuer. Man grüsst sich durch Hupen, und man regelt durch Hupen den Verkehr und man hupt, weil man einfach Freude am Fahren hat. Und zum Schluss noch, wie sieht es aus mit Löwen, Affen und allerhand anderen Tieren, die in der Wildnis Afrikas leben? Da hatte ich jetzt keine Begegnungen! Es hat so viele Läufer unterwegs, da wäre es eher so, dass die Tiere Angst hätten. Du musst dir vorstellen, es ist, wie wenn du durchs Bälliz als normaler Fussgänger schlenderst und all die Leute um dich herum wären als Läufer unterwegs. Immer wieder hat es Athletencamps. Riesenspinnen richteten sich schon immer wieder ein in meinem Zimmer, aber von denen muss man eigentlich keine Angst haben…
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