Der Blog rund um All Blacks Thun...
Im Impressum dieses Bulletins ist einigen Lesern sicher schon beim Layout der Name «Beequeen» aufgefallen. Dahinter steht Martine Gilliéron, eine Arbeitskollegin von Stefan Dähler. Über ihre Arbeit beim Layouten unseres Bulletins bin ich natürlich sehr froh. Auf einem WhatsApp-Profilbild zeigte sie sich mal in attraktivem Sport Outfit beim Wegschlagen eines Balls mit einem Schläger, ausgerüstet mit Helm und Handschuhen, die Nummer 3 auf dem Shirt. Auf meine Nachfrage, was sie dann dort treibe, erklärte sie mir, das zeige sie beim Softball, einer Variante von Baseball, die in Europa meist von Frauen gespielt wird. Ich erfuhr, dass diese Sportart schon seit Jahren Martine’s Leidenschaft ist. Eine Gelegenheit für unsere Leser*innen, dieses in der Schweiz nicht so verbreitete, aber weltweit bekannte Spiel näher kennen zu lernen. Gerne gibt uns Martine einen Einblick. Roland: Diese Nummer 3, hat die eine spezielle Bedeutung? Deutet die Zahl auf eine bestimmte Rolle im Spiel hin? Martine: Nein, das ist einfach meine Rückennummer. Die Positionen im Feld (Defensive) sind aber für die Statistik durchnummeriert. Wenn ich also zum Beispiel zweite Base spiele, ist das die Position 4. Roland: Wie hast du den Zugang zu dieser Sportart gefunden? Bist du schon lange dabei? Martine: Ich habe diese Sportart mal als Kind im Fernsehen gesehen und war sofort fasziniert davon. Damals wusste ich aber gar nicht, dass es in Bern einen Baseball-/Softball-Verein gibt. Erst später, als ich in der Lehre war, hörte ich einen Aufruf im Radio, dass bei den Berner Cardinals neue Spieler*innen gesucht werden. Da war ich natürlich sofort dabei. Ich spiele seit ich 18 Jahre alt bin (ich bin jetzt 47 und eine der ältesten Spielerinnen in der Schweiz), aber mit Unterbrüchen. Roland: Kannst du uns etwas zu deinem Verein sagen? Martine: Die Bern Cardinals wurden 1986 vom amerikanischen Opernsänger Dr. Charles Vail und einigen Berner Jungsportlern gegründet, um den an Baseball interessierten Menschen aus dem Einzugsgebiet Bern eine vielseitige Mannschaftssportart zu bieten. Roland: Ist es kompliziert die Spielregeln zu erklären? Mach doch einen Versuch. Ich kenne von der Schule her noch Brennball, das muss eine vereinfachte Form von Softball sein. Martine: Ja, die Regeln haben es in sich. Aber wenn man sie mal kennt, ist das Zuschauen wahnsinnig spannend. Das Spielfeld sieht aus wie ein Viertelstück Kuchen. Vom Spitz aus (dort steht auch die Homeplate) wird geschlagen. Im Innenfeld stehen 3 Bases, die es als Offensive-Spielerin zu umrunden gilt. Ganz aussen steht die Homerun-Fence (Homerun-Zaun). Wenn ein Ball direkt bis über diese Fence geschlagen wird, gilt dies als Homerun. Alle Runnerinnen und die Batterin dürfen alle Bases ablaufen bis «nach Hause». Pro Spielerin, die nach Hause läuft, zählt es einen Punkt. Es spielen zwei Mannschaften gegeneinander; immer 9 gegen 9, wobei jedes Team natürlich noch Reservespielerinnen auf der Bank hat. Man ist als Team mal in der Defensive und dann in der Offensive, das ergibt 1 «Inning» (Durchgang). Von den Innings werden dann bis mindestens 5 – 7 gespielt. Punkte erzielt man nur in der Offensive. Jeder «Run», der nach Hause (Homeplate) kommt (also wenn ein Läufer/Runner alle Bases umrundet hat und über die Homeplate läuft), zählt als einen Punkt. Das Gute an diesem Spiel ist, es gibt kein Unentschieden. Falls ja, wird ein Inning weitergespielt bis ein Team gewinnt. In der Defensive wirft die Pitcherin (Werferin) den Ball dem Batter (Schlägerin) zu. Der Pitch (zugeworfener Ball) muss in der Strikezone (schlagbare Zone) landen, damit der Ball gültig (ein Strike) ist, falls nicht, wird der Pitch als «Ball» vom Umpire (Schiedsrichter) gerufen. Wenn der Pitcher 3 Strikes wirft, ohne dass die Batterin schlägt oder sie daneben schwingt, ist die Batterin «out» (aus). Wenn die Pitcherin 4 «Balls» (schlechte Bälle, also nicht in der Strikezone) wirft, darf die Batterin auf die erste Base vorrücken ohne geschlagen zu haben. Die Defensive versucht 3 «Outs» (Aus) zu erzielen, damit sie nun als Offensive antreten und zu punkten versuchen kann. Weitere Möglichkeiten, Outs zu erzielen sind: Ein aus der Luft geschlagener Ball kann von der Defensive direkt mit dem Handschuh gefasst werden. Oder ein indirekt gefasster Ball (die Schlägerin fieldet einen zu Boden geschlagenen Ball) und wirft den Ball zu einer ihrer Mitspielerin, die am Base steht, wo die nächste Runnerin hinwill, und macht diese Spielerin aus, indem sie den Ball mit dem Handschuh fängt und zum Beispiel mit dem Fuss die Base berührt bevor die Runnerin die Base erreicht. Roland: Ist jede Spielerin auf jeder Position anzutreffen oder gibt es eine Spezialisierung der einzelnen Akteure? Was ist deine Stärke? Martine: Es gibt 9 verschiedene Positionen: 3 Outfielderinnen sind weit aussen im Feld und versuchen die Bälle aus der Luft zu fangen. Sie sind sehr schnell und haben einen sehr guten Wurfarm, da sie weit werfen können müssen. Eine Pitcherin steht im Infield (Innenfeld) und wirft in hoher Geschwindigkeit und mit verschiedenen Spins die Bälle zur Batterin. Ihr Ziel ist es, die Batterin auszumachen, indem die Bälle nicht geschlagen werden können oder zumindest einen schlechten Schlag zu erzielen, der einfach zu fangen sind. Eine Catcherin hat eine Hockeyähnliche Ausrüstung an. Sie steht ihrer Pitcherin gegenüber und fängt die Pitches und wirft den Ball ihrer Pitcherin zurück. Die Catcherin hat einen starken, schnellen Wurf und muss sehr ausdauernd sein, da sie ca. 2 Stunden in der Hocke ist und sehr schnell reagieren muss. Sie ist auch die Leaderin des Teams und dirigiert ihre Mannschaft in der Defensive. Sie hat als einzige Spielerin das ganze Feld im Überblick. Dann stehen noch 4 weitere Spielerinnen im Innenfeld (Infielderinnen), in der Nähe einer Base (first Base, second Base und third Base). Diese versuchen die Bälle zu fangen und die Runnerinnen auszumachen. Diese Spielerinnen sind sehr schnell auf den Beinen, haben einen starken kurzen Wurf und müssen die Spielzüge und die Situation im Griff haben. Meine Position ist im Innenfeld. Ich habe leider ein sehr schlechtes räumliches Sehen und kann im Outfield den Ball erst in letzter Sekunde richtig einschätzen. Eigentlich wäre ich gerne «draussen», da ich sehr gerne und schnell laufen kann. Dank meiner langjährigen Spielerfahrung bin ich im Infield anzutreffen, meistens als second Base oder Shortstop. In der Offensive spielen alle, die in der Defensive spielen. Es gibt eine «Battingorder» (Schlagreihenfolge), wer wann ans Schlagen kommt. In der Offensive muss man den Ball gut einschätzen können, ob dieser ein Strike ist oder Ball, gut schlagen und schnell laufen können und auch mal sich in den Sand werfen können («sliden» ins Base reinrutschen), damit man nicht mit dem Ball von einer Gegenspielerin ausgemacht wird. Wie sehen die Trainings aus? Spielt man einfach das Spiel oder trainiert man auch ganz spezifische Sachen? Wie können so Trainingseinheiten aussehen? Wie fleissig trainiert ihr in der Vorbereitung der Saison? Martine: Wir trainieren mindestens zweimal pro Woche, oft Basics oder einzelne Spielzüge. Dazu kommt «Baserunning» (Lauftraining um die Bases), «Sliding» (in die Base reinrutschen mit dem Fuss zuerst oder auch «Head-first» -> Kopfvoran). Wir haben einen Schlagkäfig, wo wir das Schlagen trainieren mit einer Pitching-machine (Ballwurfmaschine). Jede Frau trainiert für sich selber einmal pro Woche an ihrer Fitness. Im Winter haben wir eine Turnhalle, wo wir mit weichen Bällen trainieren. Roland: Ich nehme an, dass es auch ein taktisches, auf den Gegner ausgerichtetes Spiel ist. Wie sehen diese Taktiken aus? Ist es eine Kapitänin, die im Spiel Einfluss auf das Geschehen nimmt oder steht da gar ein Trainer am Spielfeld? Martine: Wir haben einen Trainer (Headcoach), der am Spielfeldrand steht und uns beim Schlagen und auf den Bases «Signs» (Zeichen) gibt, welche die Gegenmannschaft natürlich nicht kennt. Üblicherweise hätten wir noch einen zweiten Coach, die beim 1. Base stehen würde, leider können wir uns aber keine weiteren Coaches leisten und würden wohl auch niemanden finden in der Schweiz (weil sie rar sind). Die Trainer*innen arbeiten oft benevol oder kriegen eine sehr kleine Entschädigung. Das Spiel ist sehr taktisch, und es braucht viel mentale Stärke. Roland: Du spielst auch in einer Meisterschaft mit. Welches sind da die gegnerischen Mannschaften? Wie wird die Meisterschaft ausgetragen? Hast du mal etwas erreicht, worauf du speziell stolz bist? Martine: Wir spielen Meisterschaften mit Vor- und Rückrunden und Playoffs, trotz Corona konnten wir im 2020 eine verkürzte Saison spielen und haben den 4. Platz belegt. Im 2020 gab es 7 Mannschaften bei den Frauen aus Zürich, Luzern, Basel, Dulliken und Wittenbach. Leider ist diese Sportart in der Schweiz nicht sehr bekannt, auch fallen immer wieder Frauen wegen Babypausen weg, die aber teils danach wieder mittrainieren. Unsere jüngste Spielerin ist 14jährig, die Älteste 47 (ich). Das Schöne an dieser Sportart ist, dass man ziemlich lange spielen kann, mit Spielerfahrung kommt man weit J. Stolz bin ich auf die Teilnahme der Europameisterschaften in Zagreb (bei 40 Grad!) und Antwerpen (bei Dauerregen) und die Teilnahme eines Europacups in Athen im olympischen Stadion und auf einem Feld der amerikanischen Militärbasis. In Athen spielte ich im Team der Therwil Flyers mit und in Madrid mit den Zürcher Barracudas. Das Stadion war nach den olympischen Spielen leider sehr heruntergekommen, da es nicht mehr benutzt wurde. Keine der griechischen Mannschaften konnte es sich leisten, das Stadion für den Verein zu mieten. Im Outfield wuchsen schon Blümchen zwischen dem vertrockneten, fast nicht mehr vorhandenen Rasen. Aber das Spielfeld war immer noch besser als das, was wir in der Schweiz manchmal antreffen. Leider hat es vor lauter Fussballfelder nicht mehr viel Platz für Softball- und Baseballfelder, schon nur wegen der ungewöhnlichen Form und Grösse. Roland: Ich nehme an, die Wettkampfsaison ist im Sommer. Trainiert ihr auch im Winter? Martine: Die Saison fängt an Ostern an und dauert bis in den Herbst hinein. Wir trainieren im Winter in einer Halle und dann meistens Basics. Jede Frau treibt auch sonst noch Sport, um sich fit zu halten. Während der Corona-Phase wurde uns wöchentlich ein Fitnessprogramm per Skype angeboten. Roland: Was macht für dich den Reiz dieser Sportart aus? Martine: Diese Sportart ist sehr vielseitig und verlangt physische wie mentale Stärke. Man schlägt, rennt, fängt, wirft usw. Auch dass man draussen und in einer Mannschaft spielt, gefällt mir sehr. Wir haben einen tollen Zusammenhalt, auch kennt man sich untereinander in den Mannschaften gut, und es macht Spass, gegeneinander anzutreten. Roland: Vielen Dank, Martine, für deine ausführlichen Antworten und die Einblicke in deinen interessanten Sport. Ich hoffe, du kannst diesen noch ein paar Jahre ausüben und mit den Jungen mithalten. Es freut mich, dass du trotz deiner anderweitigen Interessen auch noch Zeit findest, weiterhin unser Bulletin in eine gefällige Form zu bringen. Club von Martine Gilliéron: Bern Cardinals Baseball und Softball Club www.berncardinals.ch Baseball-Verband der Schweiz www.swiss-baseball.ch Übrigens hat Thun auch einen Baseball- Softballverein!: www.hunters.ch Informationsbulletin All Blacks Thun "Schwarz auf Weiss" schwarz auf weiss- Informationsbulletin - All Blacks Thun
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